Full text: Görlitzer Heimatkunde

54 4. Abschnitt. Bewohner. § 115. 116. 
schaftlich schwächsten und somit zu den am dünnsten bevölkerten unseres 
Staates gehören, Wenden cm.*) 
Für die gottesdienstlichen Bedürfnisse der Deutschen wurden viele 
Dorfkirchen erbaut und, bei der Aufteilung des Ackerlandes in 
bestimmte Hufen, Kirche und Pfarrer mit einer „Widemut" (Pfarr- 
länderei) ausgestattet. 
§ LI5. Ein Dorf Görlitz (villa Goreliz) bestand im Norden 
der späteren Stadtanlage. Wahrscheinlich slawischen**) Ursprungs 
(obwohl an der Rothenburger Straße nach Ludwigsdorf zu sich Spuren 
einer älteren Siedlung finden) ward dieses Dorf hauptsächlich durch, 
einen Ritterhof gebildet, den zunächst ein wendischer Adeliger, dann 
etwa seit dem Jahre 1000 ein deutscher Rittersmann besaß. 1071 (in 
diesem Jahre wird das Dorf zum erstenmal erwähnt) nahm 
der Kaiser Heinrich IV. dieses Rittergut, dessen Fluren sich nach Ludwigs- 
dorf und Klingewalde erstreckten und dessen Raine sich teilweise noch 
jetzt nachweisen lassen, seinem Besitzer Ozer und schenkte es dem Bischof 
von Meißen. Dieser bildete daraus eine „Widemut" und baute 
wahrscheinlich bald darauf ein Kirchlein des heiligen Nikolaus. Daher 
ist die noch jetzt bestehende Nikolaikirche ursprünglich eine Dorfkirche 
und älter als die innerhalb der späteren Stadt gelegenen Peterskirche. 
§ 116. Die Stadt Görlitz entstand wohl, wie viele Städte 
auf ostelbischem Kolonialboden, auf Veranlassung des Landesherrn 
und wurde um 1200 von eingewanderten deutschen Kaufleuten 
und Handwerkern im Süden des alten Dorfes Görlitz auf vorher 
*) Noch heute dauert der Rückgang des Wendentums an; der Regierungsbezirk 
Liegnitz, der 1861 noch über 32 000 Wenden aufwies, zählte 1890 schon 5000 weniger. 
**) Die auf -itz, -sitz, -schütz, -enz, -igk, -ow (auch wohl au, z. B. Löban) 
endigenden Ortsnamen weisen auf slawischen Ursprung hin, auf deutschen dagegen die 
aus -dorf (vgl. § 114), -bach, -berg, -brnnn, -Hain, -feld, -kirch, -Wasser, -walde, -stein, 
-see endigenden. Darans, daß die Kolonisation erst um 1200 begann, erklärt sich wohl 
das NichtVorkommen von Endungen wie -lar, -heim, -rode. Ehedem slawische Orts- 
namen haben öfter durch Übersetzung deutsches Gewand erhalten. Gerade die größeren 
städtischen Ansiedlnngen unzweifelhaft deutschen Ursprungs tragen slawische Bezeichnung, 
wie Görlitz, Lauban, Löbau. Görlitz soll „Brandstätte" bedeuten; wahrscheinlich 
vernichteten die ersten Ansiedler, um Ackerland zu erhalten, das Gebüsch und die Bäume 
durch Feuer. Die sehr häusige Endung -itz (eigentlich ici), an Personennamen an- 
gehängt, hat etwa die Bedeutung des süddeutschen -ing nnd -ingen, nämlich patronymische, 
bezeichnet also alte Geschlechts- oder Sippenniederlassnngen. —- Mit oder bald 
nach der Einwanderung der deutschen Bauern wurden alle Dörfer um Görlitz, auch 
die mit altslawischem Namen, wie Moys, Leschwitz, Nikrifch, deutsch. Der umgekehrte 
Fall ist nur ausnahmsweise eingetreten, so in der Nähe von Hoyerswerda, bei den 
Dörfern Dörgenhausen (= Düringshausen) und Saalau.
	        
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