Full text: Görlitzer Heimatkunde

64 
4. Abschnitt, Bewohner. 
§ 132. 
Stadt, deren Geschicke der Landesherr nach Gutdünken lenkte. Sie 
bietet daher viel weniger Anziehendes als vorher. Nur wenn ein 
großer Krieg die Gemeinde wider ihren Willen in Mitleidenschaft 
zieht, oder wenn einmal ein hoher Herr in den Mauern weilt, dann 
nimmt das Bild wieder eigenartigere Züge an. 
Hatte der kalte, schlaue Ferdinand I. die Städte mit rauher Gewalt 
niedergedrückt, so fanden sie an seinem ältesten Sohne Maximilian II. 
(1564—1576) einen milden und versöhnlich gesinnten Herrscher. Ihm 
war es zu verdanken, daß Görlitz nach und nach seinen verlorenen 
Grundbesitz (Penzig), wenn auch mit großen Opfern, wiedergewann 
und eine gewisse Selbständigkeit in der inneren Verwaltung zurück- 
bekam. Sein Nachfolger Rudolf II. (1576—1612) besuchte im Jahre 
1577 mit nicht weniger als 1520 Mann und 1029 Pferden 
während vier Tagen die Stadt und unterhielt sich eingehend mit dem 
berühmten Görlitzer Astronomen und Mathematiker Bartholomäus 
Seultetus. Auch sein Bruder und Nachfolger Matthias (1612—1619) 
weilte 1611 in Görlitz und lobte es als eine schöne, zierliche, wohl- 
gebaute Stadt. Während seiner Regierung begann der 30jährige 
Krieg (1618—1648). Was noch an Wohlhabenheit und Bürgersinn 
vorhanden war, ging während dieser schrecklichen Zeit zugrunde. 
Die Stadt machte Bankrott, und ihre Einnahmen kamen unter 
Sequestration. Trotz aller Leiden, die der große Krieg über die Heimat 
brachte, hatte er doch die überaus segensreiche Folge, daß die beiden 
Lausitzen und somit auch Görlitz (1621, 1623) 1635 an Kursachsen 
kamen. Damit wurden sie nicht allein vor der zwangsweisen Zurück- 
führung zum katholischen Glauben bewahrt, sondern auch an Deutschland 
für immer angeschlossen und dem unheilvollen Einflüsse des tschechischen 
Böhmens entrissen. 
2. Innere Entwicklung i n den G r u n d z ii g e n. 
a) Verfassung. 
8 132. Ein „Landvogt", in der Zeit vor den Askaniern Burggraf, 
castellanus, praefectus genannt, stand als Vertreter des Landesherrn an der 
Spitze der Oberlausitz, die ja ein Nebenland war. Er leitete im Namen des 
Landesherrn die gesamte Verwaltung sowie das Kriegs- und Polizeiwesen und 
ward vom Landesherrn, dessen sämtliche Hoheitsrechte er als Beamter vertrat, 
ernannt, aber die Stände der Oberlausitz („Land und Städte") besaßen das 
Recht, ihn anzunehmen oder abzulehnen und sich von ihm einen Revers über 
die Anerkennung ihrer bisherigen Rechte ausstellen zu lassen. 
Gewöhnlich gehörte der Landvogt einem fremden Herrenstande an. 
Starb der Landesherr, so besetzten die Stände die Landesburg in Bautzen und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.