und Gütern des Landes gefüllten Fahrzeuge, welche §u Herodots Zeiten
seine Wasserfläche bedeckten, ist schon längst verronnen und vergangen;
denn während in den Zeiten der Pharaonen Ägypten sieben Millionen
Bewohner reichlich ernährte und versorgte, ist die Zahl der jetzigen kaum
noch auf mehr denn zwei Millionen anzuschlagen. Dennoch könnte noch
jetzt dieses Land bei vollem Anbaue, wie in den Zeiten seines vormaligen
höchsten Wohlstandes, seine sieben Millionen Menschen mit allen ihren
Haustieren speisen und bekleiden; denn der Nil, nach einem arabischen
Ausdrucke, thut seine reiche Hand noch eben so weit auf wie vormals.
Zwar hat sich seitdem der Boden des Landes, mit ihm zugleich jedoch
auch das Bette des Flusses durch die jährliche Zufuhr der Stoffe erhöht,
welche sein Wasser mit sich bringt, so daß die Höhe seines Anschwellens
zur Zeit seiner Überschwemmung noch eben so viel in unseren Tagen wie
im Altertume betrügt, nämlich etwa 5 Meter. Mit der Breite des ägyp¬
tischen Stromes hält keiner der vaterländischen während seines Verlaufes
im deutschen Lande den Vergleich aus; denn der Nil mißt in der tieferen
Ebene, wo kein Gebirge zu beiden Seiten die Ausbreitung hemmt, bei
mittlerem Wasserstande gegen 940 Meter. So sieht man die Donau nur
dann, wenn sie, auf ihrem Saufe durch Ungarn und die Walachei vom
Zuflusse manches großen Flusses erwachsen, unter dem Panier eines frem¬
den Volkes und fremder Zungen dem Meere zueilt.
Wenn man recht lebhaft einsehen will, was Ägypten wäre ohne den
Segen des Nils, muß man sich das Land nur in dem Zustande denken,
in welchem es sich vor der Stromschwelle befindet. Im Winter ist die
Wärme dort eben so groß wie bei uns im Frühlinge; der Flachs gewinnt
Knoten, und der Weizen steht so hoch wie bei uns spät im Mai; die
Erbsenfelder sind voll großer Schoten, die Bohnen wie der Rübsamen
blühen, das Zuckerrohr wird geerntet. Noch geht der Nil in fast vollem
Bette; an tieferen Stellen des Thales sieht man mächtige Teiche und
Sümpfe stehen. Dies ist auch überdies die Jahreszeit, wo Unterägypten
öfter von Regengüssen erquickt wird, während freilich in Oberägypten das
ganze Jahr hindurch kaum fünf seichte Regenschauer stattfinden, alle zehn
Jahre nur ein starker Platzregen fällt. Aber schon nach wenigen Wochen
schwindet die Frische der Natur; die Wärme steigt noch im März so hoch
wie bei uns im Sommer. Die Felder sind dann weiß zur Ernte; mit
Ansang des April schneidet man den Weizen, und das dürre Stroh der
Erbsen- und Linsenfelder ist dann längst zum Brennstoff geschickt geworden.
Nun kommt die siebenwöchige Zeit der heißen aus Süden strömenden
Chamsinwinde. Die freie Landschaft gewährt alsdann einen traurigen