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durch eine fruchtbare Ebene mit Orangengärten, Palmen und Ölbäumen,
dann durch ein enges, steiniges, von weißen Kalkfelsen eingeschlossenes
Tal hinauf nach der heiligen Stadt. Man kann sie aus der Ferne nicht
sehen, da sie von hohen Bergen umschlossen ist. Erst nach der letzten
Wendung, welche die Bahn macht, tauchen Türme und Kuppeln und
zuletzt auch eine gerade, zinnengekrönte Manerlinie auf, und wir sehen
die Stadt ungefähr so vor uns liegen, wie dieses Bild uns zeigt. (Post-
karte- Der erste Blick auf Jerusalem.)
B. Welchen Anblick bietet die Stadt?
1. Jerusalem liegt auf einer vorspringenden Kalkplatte,
die im Westen, Süden und Osten von tiefen Tälern umgeben ist und
nur nach Norden sanft ansteigt. Hohe Berge umgeben es, im Osten der
Ölberg, an dessen Fuße Gethsemane liegt, weiter südlich der Berg
des Ärgernisses, auf dem einst Salomo fremden Göttern (Moloch)
geopfert haben soll, und endlich ganz im Süden der Berg des bösen
Rates, auf dem der Sage nach in einem Landhause des Hohenpriesters
Kaiphas die Kreuzigung Jesu beschlossen worden sein soll.
2. Jerusalem ist von einer etwa 20m hohen, aus großen
Werkstücken erbauten Mauer aungeben, welche von mehr als 30
viereckigen Türmen überragt wird. Große überdachte Tore, von Türmen
eingefaßt, führen ins Innere. Wir werden später an einem dieser Tore
länger verweilen, um das Leben, das hier in buntem Durcheinander
dahinslntet, genauer kennen zu lernen.
3. Die Häuser Jerusalems sind klein und niedrig, meist mit
flachen Dächern versehen oder mit Kuppeln gekrönt. Sie werden überragt
von den beiden größten Heiligtümern der Stadt — der Omarmoschee
und der Grabeskirche — und dem Turme der Erlöserkirche, die im Jahre
1898 in Gegenwart unseres Kaisers eingeweiht worden ist.
0. Welche Erinnerungen weckt der Anblick der Stadt Jerusalem
in uns?
1. Hier lebte in der Burg Ziou einst David, der ein Held war,
ein Sänger und ein König.
2. Hier regierte Salomo. Hier errichtete er den ersten großen
Tempel Jehovas und weihte ihn durch jenes herrliche Gebet (1. König 8,
22—53), das uns noch heute uach Jahrtausenden wundersam ergreift.
3. Hier saß 450 Jahre später Jeremias auf den Trümmern des
zerstörten Heiligtums und klagte über das Unglück der Stadt und seines
Volkes. Hier walteten Esra und Nehemia nach der Rückkehr aus der
Gefangenschaft und errichteten auf dem Platze, auf dem einst der Tempel
Salomos stand, einen neuen, den 2. Tempel.
4. Hier hat Jesus Christus als Knabe im Tempel unter den
Lehrern gesessen, ihnen zuhörend und sie frageud, hier hat er auf dem
Tempelhofe gepredigt, gewaltiger als je ein Prophet zuvor, hier ist er
gegeißelt, verspottet und gekreuzigt worden.