2 Mittlere Geschichte. 1. Periode. Griechen und Ostgothen.
Volke, mit Weibern, Kindern und allen Habseligkeiten, die auf
vielen Tausend Wagen nachgefahren wurden, von dannen. Odoaker
hatte davon bei Zeiten Nachricht bekommen, und erwartete ihn
schon am Eingänge Italiens am Flusse Jsonzo, wurde aber gleich
zurückgeworfen, verlor eine zweite Schlacht an der Etsch bei
Verona, eine dritte an der Adda und mußte sich in Ravenna
einschließen, während Theoderich ganz Italien sich unterwarf.
Nach drei Jahren zwang der Hunger den Odoaker, die Thore zu
öffnen (493). Theoderich nahm ihn als Freund auf, aber nach
wenigen Tagen ließ er ihn bei einem feierlichen Gastmahle nie¬
derstoßen, indem er vorgab, Odoaker habe ihm nach dem Leben
getrachtet. Diese Treulosigkeit abgerechnet, erscheint Theoderich
als ein trefflicher Mann. Obgleich von einem barbarischen Volke,
hatte er doch so viel Großmuth, so viel menschliches Gefühl und
Kunstsinn, daß man ihn in dieser Beziehung bewundern muß.
Italien sah nun einmal nach langer Zwischenzeit eine schöne Blüthe
des Handels und der Gewerbe wiederkehren. Die Ueberreste der
alten römischen Bauwerke betrachtete Theoderich mit Bewunderung
und stellte einen besondern Aufseher an, der für ihre Erhaltung
sorgen sollte. Für die Sicherheit seiner Unterthanen wurden weise
Gesetze gegeben und so streng darüber gehalten, daß man sagte,
man könne ruhig einen Beutel mit Goldstücken aus dem Felde
liegen lassen, ohne daß er weggenommen würde. Dieser tüchtige
König hat von 493 bis 526 über Italien regiert. Seine ge¬
wöhnliche Residenz war Verona*); sonst auch Ravenna, wo
er begraben liegt.
Nach seinem Tode hatten die Ostgothen zwar nacheinander
mehrere Könige, aber keinen, der ein zweiter Theoderich gewesen
wäre. Da beschloß ein kräftiger griechischer Kaiser, Justinian,
der um das Jahr 550 regierte (527 — 565), Italien wiederzu¬
erobern, und es gelang ihm auch nach vielen und harten Kämpfen
durch seine beiden großen Generale Belisar und Narses (553);
denn ein so großer Gesetzgeber auch der Kaiser war, so fühlte er
doch, daß er kein geschickter Feldherr sei, und blieb daher klüg¬
lich zu Hause. Aber nicht allein das ostgothische Reich in
Italien warf er über den Haufen, sondern er hatte auch das
*) In der Vorstadt, bei der uralten Kirche des heil. Zeno, steht noch ein
alter Thurm und ein altes Mauerwerk, sonst ;u seinem Palast gehörig. Auch
rührt von dieser Stadt der Beiname her, den der König in der alten deutschen
Sage führt, Dietrich von Bern.