Full text: Das Deutsche Reich (Teil 3)

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kam, daß Posen sich früher in einem so traurigen Zustande 
befand? In Polen hat es lange, lange Jahre an Ordnung und 
Gerechtigkeit gefehlt. Die Könige lebten meist, wie z. B. der uns be- 
kannte August der Starke, herrlich und in Freuden, veranstalteten kost- 
spielige Feste, große Jagden, bauten prächtige Paläste usw., aber be- 
kümmerten sich nicht um das Wohl des Landes. Auch der Adel lebte 
in Saus und Braus. Er machte sich kein Gewissen daraus, die Staats- 
kassen zu bestehlen, die Bauern mit schweren Abgaben zu bedrücken, bei 
den Juden hohe Summen auf Wucherzinsen zu borgen und das gestohlene, 
erpreßte oder geborgte Geld dann im Spiel oder bei großen Festen sinn- 
los zu vertun. Die Bauern mußten sür die Adligen umsonst ar- 
beiten und wurden fast wie Vieh behandelt. Niemand kümmerte sich 
darum, ob ihre Kinder lesen und schreiben lernten, ob sie nach der Ar- 
beit, die sie für den Gutsherrn leisten mußten, noch Zeit hatten, ihr 
eigenes Feld zu bestellen, oder ihre baufällige Hütte auszubessern. Der 
Reichstag, der des Landes Wohlfahrt beraten und fördern sollte, war 
völlig zwecklos. Seine Glieder wurden fast niemals untereinander einig. 
Jeder wollte etwas anderes. Gar oft kam es vor, daß sich die vor- 
nehmen Herren, die den Reichstag bildeten, gegenseitig die Köpfe zer- 
schlugen. In 110 Jahren fanden 55 Reichstage statt. 48 davon endeten 
mit Prügelei und argem Tumult. Recht und Gesetz gab es nirgends 
im Lande. Die Richter beugten das Recht nud nahmen Geschenke an. 
Die Edelleute konnten höchstens Geldstrafen erhalten. Es kam vor, daß 
ein Edelmann, der einen Bauern erschlagen hatte, mit 10 Mark bestrast 
wurde. 
2. Gegenwärtig ist die Provinz Posen im Aufblühen be- 
griffen. 
a. Wir finden jetzt neben großen Nadelwäldern (Zwischen 
Warthe und Netze!), gute Wiesen und fruchtbare Felder. Auf den 
Wiesen weiden große Schafherden oder schnelle, kräftige Pferde und 
stattliche Rinder. Auf den Feldern baut man nicht nur Getreide, Hülsen- 
srüchte (Erbsen!) und Kartoffeln, sondern auch Zuckerrüben und Hopfen. 
b. In den Dörfern sieht es ebenfalls viel besser aus als ehemals. 
Wohl trifft mau noch heute viele mit Stroh gedeckte Häuser und noch 
manche Lehm- und Holzhütte an, aber daneben erheben sich auch schon 
zahlreiche Gebäude, die sorgfältig wie bei uns aus Ziegeln und Steinen 
hergestellt sind. 
c. Viele der Ortschaften, die noch vor hundert Jahren klein und 
unbedeutend waren, sind jetzt zu schönen und blühenden Städten 
herangewachsen, so z. B. Bromberg, Posen und Hohensalza. *) 
Zeige diese Städte und bestimme ihre Lage! .(Posen liegt an der Warthe, 
ungefähr in der Mitte der gesamten Provinz. — Bromberg liegt an 
1) Früher Jnowrazlaw genannt.
	        
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