Full text: Das deutsche Vaterland (Teil 2)

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Anfänger im Lehramte — in der Volksschule tätig ist oder war, 
kennt die Schwierigkeiten im vollem Umfange, die sich in der Volks- 
schule dem geographischen Unterricht entgegenstellen, wenn er nicht nur 
die für das bürgerliche Leben erforderlichen erdkundlichen Kenntnisse 
übermitteln, sondern auch vaterländisches Denken und Fühlen wecken und 
pflegen, die Kinder nicht nur hören und lernen, sondern auch nachdenken, 
suchen und finden, bewundern und genießen lassen will. Diese Schwierig- 
keiten ergeben sich hauptsächlich aus dem Maugel an Zeit und aus der 
Jugend unserer Schüler und Schülerinnen. Sie ziehen unserer Arbeit 
Nicht- und Grenzlinien, die wir nicht aus dem Auge verlieren dürfen, 
wenn wir nicht auf wirkliche, die kurze Schulzeit überdauernde Erfolge 
verzichten wollen. Insbesondere dürfen wir nie vergessen, daß wir alles, 
was wir an die Kinder unterrichtlich heranbringen, dem Geistes- 
zustand der Kinder anzupassen haben. Das ist gewiß eine schlichte, 
alte Wahrheit, aber mir will es scheinen, als ob sie in der Gegenwart 
häufig unberücksichtigt bliebe. In dem an sich gewiß löblichen Streben, 
allen Unterricht auf wissenschaftliche Grundlage zu stellen und jedes 
Lehrfach nach dem in ihm selbst ruhenden Prinzipien zu gestalten, neigt 
man nicht selten dazu, den logisch-systematischen Gang der Fachwissen- 
schast einzuschlagen, nicht den psychologischen, den man bei der Unter- 
Weisung von Kindern zu gehen hat. Ja, einzelne Lehrer glauben 
geradezu, ihren gesamten Unterricht dadurch auf eine höhere Stufe zu 
heben, ihm ein wissenschaftliches Gepräge zu geben uud zu einem Ab- 
bild des Unterrichts an höheren Lehranstalten zu machen, daß sie das 
Fachprinzip in den Vordergrund stellen, das Hauptgewicht auf den 
Stoff selbst legen, die methodische Gestaltung aber als nebensächlich an- 
sehen und der Eingebung des Augenblicks überlassen. Welche Verkennung 
des Wesens und der Ausgabe des Volksschulunterrichts, der doch erziehen, 
nicht rein sachlich in eine Wissenschaft einführen soll, spiegelt sich in dieser 
Auffassung! Gewiß soll alles, was die Volksschule lehrt, auf wissen- 
schaftlicher Grundlage ruhen, aber das, was wir aus dem weiten Reiche 
der Fachwissenschaft den Kindern übermitteln, muß der Kindesnatur 
entsprechend geformt und in kindlich-einfacher, ansprechender Art an die 
Jugend herangebracht werden. Diese Umformung der Wissensstoffe in 
Bildungsstoffe ist oft eine sehr schwierige Sache. Es gilt da zunächst 
zu vervolkstümlichen, gilt edles Metall in kleine gangbare Münze um- 
zuPrägen, wie sie für das tägliche Leben gebraucht wird, damit es 
unserem Schüler nicht geht wie dem Hans im Glück, der mit dem in 
langjähriger Arbeit erworbenen Goldklumpen nichts anzufangen wußte 
und sich freute, als er ihn wieder los war. Es gilt weiter aber auch, 
sich immer und immer wieder den gesamten Lernprozeß klar zu ver- 
gegenwärtigen, damit jener Stufengang geistigen Geschehens, wie er sich 
bei allem Erkennen naturgemäß vollzieht, auch unserem Unterrichte zu- 
gründe liege. Wie viel gibt es da zu erwägen, um die anschauliche und
	        
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