20 Allgemeine Betrachtung des ganzen Landes.
So kann man bequem von allen Seiten zur
Groden Heuscheuer (919 m)
gelangen. Sie sieht von ferne wohl einem Scheuueudache, mehr noch einem
riesigen Festungswerke ähnlich und scheint ein einziger großer Felsblock zu
sein, der etwa 150 m hoch ist uud dem Plateau des Leierberges aufge-
setzt ist. An ihrem Fuße liegt das Dörfchen Karlsberg, dessen Bewohner sich
hauptsächlich durch das Umherführen vieler Fremden in den Felsen der Heu-
scheuer ernähren; denn die Felder, die auf der Hochfläche liegen, bieten nur
einen so geringen Ertrag an Hafer und Kartoffeln, daß die Bewohner der
übrigen kleinen Dörfer auf und an dem Leierberge sich nur mit Hilfe der Weberei
erhalten können.
Von Karlsberg aus steigt man auf mehreren hundert Stnfen zwischen und
an den Felsen der Heuscheuer hinauf, die um so zerklüfteter erscheinen, je
näher man ihnen kommt. Ihre gleichmäßig graue Farbe wird belebt durch
das dunkle Grün hoher Tannen, die freilich nicht fehr dicht bei einander
stehen; denn sie können nur in den zahlreichen tiefen Furchen zwischen den
Felsen Wurzel fassen. Die Spitzen der Felsen schauen über die Wipfel
hervor, und erst die ebene Hochfläche zeigt wieder dichteren Baumschmuck.
Sie ist aber auch wie der Abhaug am Fuße der Felsen mit Steintrümmern
übersät nnd von tiefen Rissen durchfurcht. In ihnen haben Regenwasser
und Frost den Sandstein in wunderliche Formen zerwaschen und zersprengt.
Da erblickt man Felsmassen, die einem Kamele oder Negerkopfe oder Schiffe
oder Bären ähnlich sehen. Eine tiefe Schlncht, in die man aus uahezu
100 Stufen hinabsteigt, führt in ihren einzelnen Teilen verschiedene Namen
uud heißt an der einen Stelle die „Schncegruben", weil in den tiefen
Spalt das ganze Jahr kein Sonnenstrahl dringt, und darin der Schnee
niemals ganz wegschmilzt. Vom höchsten Felsen aus, der „Großvaterstuhl"
geuannt wird, hat der Wanderer eine entzückende Aussicht über die gauze
wildzerklüftete Gegend und in die lachende schlesische Ebene hinein. Da
kann er auch das ganze Braunauer Ländchen überschauen, das nördlich
von dem Sterne um die Stadt Braunau (B.) herum liegt, aber schon zu
Österreich gehört.
Von hier aus sieht man auch die unfern gelegene prächtige Kirche in
Albendorf (A.). Das ist der besuchteste Wallfahrtsort von ganz Schlesien. Die
Teiche, Bäche und Berge um ihn herum sind gleich denen bei Jerusalem und
im heiligen Lande benannt.
Schon der Ratschen- und Steinbcrg zeigen die Saudstein-Formation der Heu-
scheuer, und der erstere schließt das Lewiner und das westlich von diesem gelegene
Gebiet geographisch von der Grafschaft ab; dennoch gehört dieser Zipfel noch zu
Preußen. Er hat wenig Wert, denn er ist unfruchtbar und industrielos. An der
Hebung seiner armseligen Weberbevölkerung wird jetzt rastlos gearbeitet. -Man sucht
die Weberkinder anderen, lohnenderen Berufsarten zuzuführen.
Der Zusammenschluß der Hochebene des Leierberges zu einem schmalen Kamme