I. Volkslieder. K. Liebeslust und -leid.
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9. „Hat er Euch ein' Eid geschworen,
Wann habt Ihr ihn verloren?" —
"So ist es heut' ein ganzes Jahr,
Daß ich mein Lieb verloren hab'." —
10. „Was wollt Ihr ihm entbieten?
Ich komm' erst von ihm geritten,
So ist es doch heut' der nennte Tag,
Daß man ihm ein Jungfräulein gab."—
11. „Hat man ihm ein Jungfräulein
geben,
So lvill ich beweinen mein junges
Leben;
Weil er mir nicht kann werden zuteil,
So wünsch' ich ihm viel Glück und Heil.
12. „Und kann er mir nicht werden
Der Liebst' auf dieser Erden,
So will ich brechen meinen Mut,
Gleichwie das Turteltüublein tut:
13. „Es setzt sich auf ein' dürren Ast,
Das irret weder Laub noch Gras,
Und meidet das Brünnlein kühle
Und trinket das Wasser trübe."
14. Was zog er ab der Hände sein?
Aon rotem Gold ein Fingerlein:
„Seht hie', schön Jungsrau, das sollt
ihr haben,
Eu'r fein's Lieb sollt Ihr nicht länger
klagen."
15. Sie warf den Ring wohl in ihr'n
Schoß,
Mit heißen Tränen sie ihn begoß,
Sie sprach: „Den Ring will ich nicht
haben,
Mein fein's Lieb will ich länger klagen."
16. Da zog er ab sein' Seidenhut,
Erst kennet ihn die Jungfrau gut:
„Bis Gott Willkomm, du schvn's mein
Lieb,
Wie lang' ließ'st mich in Tranren hie!" —
17. „Da tät ich dich versuchen,
Ob du mir tätest fluchen;
Und hättest du mir ein' Fluch getan,
So wär' ich geritten wieder davon.
18. „Da du mir nicht tatst fluchen,
Da erfreut sich mein Gemüte,
Du machst mein Herz ganz freudenvoll,
Du erfreust mich, daß ich dich haben
soll."
69. Scheiden.
(Westfälische Lesart.)
1. Morgen will mein Schatz abreisen,
Abschied nimmt er mit Gewalt;
Kommt mir zwar aus meinen Augen,
Aber nicht aus meinem Sinn.
2. Schatz, warum bist du so traurig?
Ich bin aller Freuden voll.
Meinst, ich täte dich verlassen?
Du gefällst mir gar zu wohl.
3. Schätzchen, wenn ich dich vergesse,
Soll der Himmel fallen ein.
Wo sich zwei Verliebte scheiden,
Da verwelket Laub und Gras.
4. Laub und Gras verwelket zwaren,
Aber treue Liebe nicht:
Kommst mir zwar aus meinen Augen,
Aber nicht ans meinem Sinn.
70. Drei Reiter am Tore.
(Anfang des 18. Jahrhunderts.)
1. Es ritten drei Reiter zum Tore hinaus, ade!
Feinsliebchen, das schaute zum Fenster hinaus, ade!
Und wenn es denn soll geschieden sein,
So reich' mir dein goldenes Ringelein!
Ade, ade, ade!
Ja, Scheiden und Meiden tut weh.