Full text: [II. Teil = dritte und vierte Klasse, [Schülerband]] (II. Teil = dritte und vierte Klasse, [Schülerband])

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men gesehen haben, und wünschte mir bald wieder einen solchen 
Tag. Solltest Du auf die Erfüllung dieses Wunsches baldigst 
Bedacht nehmen, so wäre hocherfreut Dein Freund Adolf. 
Bone. 
100. Eine Überschwemmung. 
Bester Onkel! 
Denke Dir, lieber Onkel, unseren Schrecken, als wir in 
der Nacht vom 14 auf den 15. dieses Monats plötzlich durch 
die Sturmglocke aus dem ersten Schlafe aufgeweckt wurden! 
Die Mutter hatte die Schreckenstöne zuerst vernommen, 
schnell weckte sie alle Hausgenossen, noch nicht wissend, 
was für ein Unglück unsern Ort bedrohte. 
Zwar hatten wir in den vergangenen Tagen davon ge— 
hört, daß der Rhein mit hohem Wasser gehe; auch hätten 
wir uns nach dem anhaltenden Regenwetter auf eine Uber— 
schwemmung gefaßt machen sollen; daß aber die Gefahr 
so schnell und so schrecklich uns überfallen würde, das hatte 
niemand erwartet. Als wir angekleidet waren und uns vom 
ersten Schrecken etwas erholt hatten, hörten wir deutlich 
in der Ferne das Brausen der Flut. Nun durften wir nicht 
mehr zweifeln, was geschehen sei. Der uns schützende Rhein- 
damm mubßte durchbrochen sein. Kaum hatten vir diese 
Befürchtung gegen einander ausgesprochen, als wir unser 
Haus von den Wogen umringt sahen. Gleichzeitig erhob 
sich ein fürchterlicher Sturm, der das ganze Haus erschütterte. 
Ein banges Entsetzen durchzuckte unsere Glieder. Wir hoben 
unsere Hände gen Himmel und flehten um Schutz und RBet— 
tung. — Freue Dich mit uns, lieber Onkel, die Gefahr ist 
vorüber; Gott hat uns erhalten. Aber was hatten wir in 
dieser schrecklichen Nacht nicht alles auszustehen! 
Kaum blieb uns Zeit genug übrig, die besten Gegen— 
stände aus dem unteéren Stockwerke in das mittlere zu brin— 
gen. Was im Reller war, mubten wir dem Verderben über— 
lassen. In weniger als einer halben Stunde war das Wasser 
3 m hoch im Hause. Die brausende Flut stieß so heftig 
an die linke Seiteé des Hauses, daß wir jeden Augenblick 
den Durchbruch befürchten mußten. Allein auch diese Ge— 
fahr ging glücklich vöorüber. Endlich brach der heibersehnte 
Tag an. MWolch ein Anblick! Die ganze breite Gegend rings 
umhber war überschwemmt. Die höchsten Bäume reichten 
pur mit ihren Gipfeln aus dem unermeblichen Meere, und 
einzelne Häuser standen bis ans Dach im Wasser. Unser 
Herz bebte bei dem Gedanken an das unbereéchenbare Un—
	        
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