Full text: Die deutschen Landschaften (1)

Vili 
Vorwort. 
wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den ein¬ 
zelnen produktiven Ständen, sowie zwischen den 
einzelnen Völkern zu verfolgen. Darum muss jeder Erd¬ 
raum, nachdem er zuerst als eine natürliche Landschaft 
vorgeführt worden ist, in zweiter Linie als Wohnsitz des auf 
ihm mit Hilfe der gebotenen Mittel sich nährenden Volkes, als eine 
wirtschaftliche Gemeinschaft und als e i n e S t ä 11 e 
menschlicher Kultur betrachtet werden *). Nachdem das 
Kulturbild der Gegenwart hinreichend beleuchtet worden 
ist, kann auch ein Blick auf frühere Kult urzeit en geworfen 
werden, wenn der Bildungsstand der Schüler dies gestattet. 
Die Lehrmethode endlich muss auf die Gesetze de r 
Seelenlehre aufgebaut werden. Diese zeigen uns die Wege, 
wie die zu vermittelnden Vorstellungen und Denkstoffe am leich¬ 
testen dem Geiste der Schüler zugeführt und in ihm am sichersten 
zum Haften gebracht werden können. Als erstes ist für den 
erdkundlichen Unterricht zu beachten, dass die Schüler in jede 
ihnen noch fremde Landschaft von einer ihnen bereits bekannten 
aus eingeführt werden, damit sie sich in jener sogleich orien¬ 
tieren können, und damit die neuen Vorstellungen durch einen 
innigen Anschluss an frühere leichter aufgenommen und besser 
festgehalten werden. An zweiter Stelle handelt es sich darum, 
dass die einzelnen erdkundlichen Gegenstände zur klaren An¬ 
schauung gebracht werden. Es stehen uns hierzu die verschie¬ 
densten äussern Veranschaulichungsmittel zu Gebote. 
Aber diese erfüllen ihren Zweck nicht ganz, wenn das mündliche 
Wort des Lehrers, seine anschauliche Schilderung ihnen 
nicht Leben eingiesst; nur dann bleiben lebensvolle Vorstellungs¬ 
bilder im Geiste zurück. Nachdem die Schüler von den erdkund¬ 
lichen Einzelgegenständen eine klare Anschauung gewonnen 
haben, ist ihnen auch von der ganzen Landschaft ein rich- 
*) Der Vergleich zwischen den J ange'sehen Schriften und meiner Arbeit 
könnte hier weiter gezogen werden. Wie die Lebewesen der Natur als Glieder 
natürlicher Lebensgemeinschaften, z. B. des Teiches, des Sumpfes, des Waldes, 
der Wiese u. s. w. vorgeführt werden sollen, so die erdkundlichen Gegenstände 
im Rahmen natürlicher Landschaften, und wie Junge die Betrachtung des Natur¬ 
lebens, die Erkenntnis der gegenseitigen Abhängigkeit und Dienstleistung der 
Naturwesen in den Vordergrund gerückt hat, so betrachte ich vorwiegend das 
Kulturleben des Menschen, zeige die Abhängigkeit des letztern 
von der Scholle, auf der er sich ernähren muss, und führe dem Schüler 
d a s I n e i n a n d e r g r e i f e n d e r m e n s c h 1 i c h e n B e r u f s t h ä t i g k e i t und 
des wirtschaftlichen Lebens der Völker vor Augen. Trotz dieser 
Verwandtschaft wird die Durchsicht meiner Arbeit sofort deren Eigenart klar¬ 
stellen, wie dies ja auch durch die Eigenart des Stoffes notwendig bedingt 
werden musste. Um aber der Wahrheit die Ehre zu geben, bekenne ich mit 
Freuden , dass ich die erste Anregung zur Abfassung der begründend-ver- 
gleichenden Erdkunde dem Studium des „D o r f t e ich s" von Junge zu verdanken 
habe. Ich erkenne in den Junge'schen Schriften ein allgemeines Prinzip, 
das für den gesamten Unterricht Wert hat, nämlich das der g e i s ti g e n D u r c h- 
a r b e i t u n g alles Lernstoffes, wobei die Ergründung ursächlicher Beziehungen 
Aufgabe und Endziel ist.
	        
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