Object: Lehrbuch der Erdkunde für Gymnasien, Realschulen und ähnliche höhere Lehranstalten

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Die Republik Frankreich. 
selbem im Becken der mittleren Loire. Hier liegt am Flußknie die neuerdings 
sehr verschönerte Handelsstadt Orleans und weiter stromabwärts das alte aber 
durchgängig modernisirte Tours. Die lieblichen Gegenden zu beiden Seiten der 
mittleren Loire, mit Recht als „Garten Frankreichs" bezeichnet, stehen in grellem 
Contraste zu dem ernsten, öden Hochland der Auvergne. Vergebens sucht in 
diesen von unterirdischem Feuer verbrannten, kalten Regionen der arme Auvergnate, 
der spärlichen Ackerkrume lohnenden Ertrag abzugewinnen. Nur die Niederung, 
das breite Thal des Allier, ist fruchtbar und hier liegt die alte, aus Lavagestein 
erbaute Stadt Clermont. Westwärts in der Nähe der Loire, im Centrum 
großer Kohlenfeldcr, erhebt sich die geräuschvolle Fabrikstadt St. Etienne 
(130 000 Einwohner) mit großartiger Maschinen-, Waffen- und Seidenindustrie. 
Das südöstliche Frankreich gehört ausschließlich dem Flußsysteme der 
Rhone an, deren breites Thal die natürlichste und bequemste Verbindung zwischen 
dem Süden und Norden Frankreichs bildet. Am Zusammenflüsse der Saone und 
Rhone liegt Lyon (340 000 Einwohner), die zweitgrößte Stadt Frankreichs. In 
überaus günstiger Lage, in der Nähe von Erz- und Steinkohlenlagern und 
als Hauptplatz der Seidcnindustrie von ganz Europa, hat Lyon eine commercielle 
Bedeutung erlangt, die nur derjenigen von Paris nachsteht. Im breiten Thale 
der Jsöre, rings von zackigen Alpenhäuptern umgeben, liegt die starke Festung 
Grenoble. Nahe beim Einflüsse der reißenden Durance in die Rhone erhebt sich 
das von mächtigen Mauern umschlossene alte Avignon, im 14. Jahrhundert 
Residenz der Päpste, deren gewaltiger Palast ans steilem Fesen heute als 
Kaserne dient. Montpellier, in lieblicher Lage auf schroffem Hügel, hat 
prächtige Fernsicht auf das Meer (auch die Pyrenäen sind bei klarem Wetter- 
dort sichtbar), besitzt eine altberühmte medicinische Schule und ansehnliche In¬ 
dustrie. Der südöstlichste Theil Frankreichs, die sonnige Provence, hat bereits einen 
vollkommen südlichen Charakter, doch fehlt den Gebirgshöhen vielfach der Wald. 
An der Küste östlich von der Rhonemündung liegt Marseille (320 000 Ein¬ 
wohner), der größte Seehandelsplatz Frankreichs, im Inneren ohne architektonisch 
hervorragende Gebäulichkeiten und auf der Landseite von Tausenden größerer und 
kleinerer Landhäuser umgeben. Toulon (70 000 Einwohner), ein Hauptkriegs¬ 
hafen Frankreichs mit großartigem Arsenale, ist außerordentlich stark befestigt und 
von der Seeseite uneinnehmbar. Nizza, in herrlicher Lage, von südlicher Vege¬ 
tation (Lorbeer, Myrthen, selbst Palmen) umgeben, bildet einen viel besuchten 
Winteraufcnthaltsort der Nordländer, doch wird von Brustleidendcn mit Recht 
Mentone vorgezogen. 
Zwischen Nizza und Mentone liegt auf einem Felsen das Städtchen Monaco, 
Residenz des gleichnamigen V4 Q.-Meile großen, unter französischer Schulzherrschaft 
stehenden Fttrstenthums. 
Das südwestliche Frankreich gehört vollständig dem Gebiete der 
Garonne an. Es ist im Allgemeinen außerordentlich fruchtbar und besonders in 
den Flußthälern weinreich. Nur der Küstenstrich am Golfe von Viscaya ist öde, ja 
zum Theil eine völlige Wüste. Die beiden bedeutendsten Städte sind Toulouse 
(130 000 Einwohner) an der oberen und Bordeaux (220000 Einwohner) an 
der unteren Garonne, die hier in Folge der Fluth für Seeschiffe fahrbar ist. Die
	        
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