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die unendliche Wasserfläche ihren ersten Schimmer warf. Wenn ich
dann, durch Schlaf erquickt, wieder aufs Verdeck trat, stand das
Tagesgestirn schon hoch im Zenith. Vielerlei zu sehen gab es allerdings
nicht; einmal behaupteten die Matrosen, in der Ferne fliegende Fische
zu entdecken, die sich über die Wasserfläche emporschnellten; aber meinem
hlicke entgingen sie. Ein Heer von Delphinen dagegen, das wohl
eine Viertelstünde lang einen Wettlauf mit dem Schiff anstellte, ge—
währte mir ein unterhaltendes Schauspiel. Die afrikanische Küste
glaube ich einmal durch das Fernrohr erspäht zu haben; doch war es
aur ein dämmernder Streifen.
Die Fahrt ging wegen konträrer Luftströmung etwas langsamer als
gewöhnlich von statten. Am vierten Morgen nach unserer Abreise zeigte
sich vor uns inmitten des Meeres ein dunkler Punkt; derselbe wuchs und
wuͤchs, und nach und nach stieg mit ihren Bergen und Klippenufern die
Infel Madeira aus der Flut. Nachdem wir eine Zeitlang an dem maleri—
schen, bald schön bewaldeten, bald mit steilabstürzenden Felsen umgürteten
Gestade dahingefahren waren, warfen wir bei Fuͤnchal Anker. Die Stadt,
oder vielmehr das Gewimmel zwischen Gärten und Baumpflanzungen
hingestreuter Häuser zieht sich vom Meer auf am Abhang eines Berges
mpor. Ich betrat den Strand mit dem Gefühle, welches etwa
Kolumbus und seine Gefährten gehabt haben mögen, als sie in
Guanahani ausstiegen. War dies doch die erste Etappe auf der Reise
nach Merika, und hatte doch meine Phantasie die Insel mit allen
Wuͤndern der fremden Zone ausgestattet! Am Ufer warteten Leute
mit guten Reitpferden, und so unternahm ich, um meine erste Neu—
gierde zu befriedigen, mein Gepäck in das Gaͤsthaus sendend, sogleich
dinen Spazierritt rings um die Höhen, an welche die Stadt hin—
gelagert ist. Meine Erwartung ward nicht getäuscht; die Fülle des
Giuns, die Mytten und hochstämmigen Lorbeern, die großen roten
Vllen emner breublätterigen Pflanze, deren Namen ich bei meinem
Mangel an Kenntnissen in der Botanik leider nicht anzugeben weiß,
nd vbieder die aus diesem Meere der üppigsten Vegetation hervor—
ragenden, bald dunkelhraunen, bald stahlblauen Felsen machten einen
berauschenden Eindruck. Bei diesem ersten Ritt hatte ich, um der
Assicht zu genießen, oft Halt gemacht, so daß ich erst, als sich schon
die Wenddämmerung über Insel und Ocean legte, in meinem auf
englische Art eingerichteten Gasthof anlangte und bald auf bequemem
Lager den Genüssen des folgenden Tages entgegenträumte.
Madeira bestht keine Kirchen oder sonstige Gebäude, von denen auch
nur zu reden es der Mühe lohnte. Wer die Insel nie verlassen hat,
kann kaum wissen, was das Wort Kunst bedeutet. Dagegen hat die Natur
alle ihre Schätze in verschwenderischer Fülle über das Eiland aus⸗
geschültet. Bisher hatte ich Capri mit seinen himmelragenden, meer—
umbrandeten Felsen, das grünende Eden von Cintra mit dem Zauber⸗
schlosse Penha, Amalfi und die hoch von Klippe zu Klippe gespannte
h nach Salerno, Granada mit seinen auf steiler Höhe über dem
Darro hingebannten Wundergärten des Generalife, über welche die