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in ihrem Gewerbe tätig gewesen sind. Die Abnahme der Prüfung
erfolgt durch Prüfungskommissionen, welche aus einem Vorsitzenden
und vier Beisitzern bestehen. Die Errichtung der Prüfungskom¬
missionen erfolgt nach Anhörung der Handwerkskammer durch deren
Aufsichtsbehörde (d. h. durch den Herrn Regierungspräsidenten, in
Berlin durch den Herrn Oberpräsidenten); diese ernennen die Mit¬
glieder auf drei Jahre.
Die Prüfung hat den Nachweis der Befähigung zur selb¬
ständigen Ausführung und Kostenberechnung der gewöhnlichen
Arbeiten des Gewerbes und der zu dessen selbständigem Betriebe
notwendigen Kenntnisse, besonders auch der Buch- und Rechnungs¬
führung zu erbringen. Eine besondere Prüfungsordnung regelt das
Verfahren der Prüfungskommission, den Gang der Prüfung und
die Höhe der Prüfungsgebühren. Diese Prüfungsordnung erläßt
die Handwerkskammer mit Genehmigung des Ministers für Handel
und Gewerbe. Die Prüfungsgebühren fließen der Handwerkskammer
zu, welche die Kosten der Prüfung zu tragen hat. Die Prüfungs¬
zeugnisse sind kosten- und stempelfrei.
Wer den Meistertitel erworben hat, verliert ihn nicht, wenn
ihm die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen nachträglich ent¬
zogen wird; mit dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ist in¬
dessen auch der Verlust des Meistertitels verbunden.
Die unbefugte Führung des Meistertitels ist mit einer Geld¬
strafe bis zu 150 Mk. oder mit Haft bis zu 4 Wochen bedroht.
Durch die vorstehenden gesetzlichen Bestimmungen ist nicht
jeder Meistertitel geschützt, sondern nur derjenige, welcher mit der
Bezeichnung eines Handwerks verbunden gebraucht wird. Es ist
also jedermann berechtigt, sich schlechthin „Meister“ oder „Werk¬
meister“ zu nennen; dagegen darf z. B. ein Bäcker, der die Meister¬
prüfung nicht abgelegt hat, nicht auf sein Schild setzen „N. N.,
Bäckermeister“ oder: „Bäckerei von Meister N. N.“ oder: „Innungs¬
bäckermeister“. Das Gesetz stellt es jedem Handwerker frei, die
Meisterprüfung abzulegen oder nicht; es knüpft aber die Führung
des gesetzlichen Meistertitels an Bedingungen, deren Erfüllung da¬
für bürgt, daß die Handwerksmeister einerseits Tüchtiges in ihrem
Berufe leisten, andrerseits dazu befähigt sind, einen tüchtigen ge¬
werblichen Nachwuchs heranzubilden. So stellt das Gesetz an die
Stelle des zünftigen Zwanges das freie persönliche Streben nach
Vervollkommnung im Berufe, und deshalb hat auch die Erwerbung
des gesetzlichen Meistertitels mit eitler Titelsucht nichts zu schaffen.
Nach Dr. Georg Neuhaus.
*177. Von den Innungen.
1. Die veralteten Formen und hemmenden Schranken des Zunft¬
wesens (vergl. Nr. 20, 138, 140) hatten zu solchen Mißständen und
Mißbräuchen im Handwerk geführt, daß selbst aus den Kreisen des
Handwerkerstandes heraus die Beseitigung der Zünfte gewünscht
wurde. Es war daher eine Notwendigkeit, daß die Gewerbefrei¬
heit an die Stelle des Zunftwesens trat. Durch sie wurden der