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133. Wiegenlied.
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Da heißt die Welt ein Jammerthal
und deucht mir doch so schön,
hat Freuden ohne Maß und Zahl,
läßt keinen leer ausgehn.
Das Käferlein, das Vögelein
darf sich ja auch des Maien freun.
Und uns zuliebe schmücken ja
sich Wiese, Berg und Wald;
und Vogel singen fenr und nah,
daß alles wiederhabt.
Bei Arbeit singt die Lerch' uns zu,
die Nachtigall bei süßer Ruh'!
5. Und wenn die goldne Sonn' aufgeht
und golden wird die Welt;
wenn„alles in der Blüte steht
und Ähren trägt das Feld,
dann denk' ich: „Alle diese Pracht
hat Gott zu meiner Lust gemacht."
6. Dann preis' ich Gott und lob' ich Gott
und schweb' in hohem Mut
und denk': „Es ist ein lieber Gott,
und meint's mit Menschen gut!" —
Drum will ich immer dankbar sein
und mich der Güte Gottes freun.
Millcr.
133. Wiegenlied.
§chlaf', Herzenssöhnchen, mein Liebling
bist du!
Thue die blauen Guckäugelein zu!
Alles ist ruhig und still wie im Grab;
schlaf' nur, ich wehre die Fliegen dir ab.
Engel vom Himmel, so lieblich wie du,
schweben ums Bettchcn und lächeln dir
zu.
Später zwar steigen sie auch noch herab,
aber sie trocknen nur Thränen dir ab.
3. Jetzt noch, mein Söhnchen, ist goldene
Zeit;
später, ach später, ist's nimmer wie heut.
Stellen erst Sorgen ums Lager sich her,
Söhnchen, dann schläft srch's so ruhig
nicht mehr.
4. Schlaf', Herzenssöhnchen! und kommt
gleich die Nacht,
sitzt doch die Mutter am Bettchen und wacht.
Sei es so spät auch und sei es so früh:
Mutterlieb', Kindlein, entschlummert doch
nie.
134. Gottes Lob.
-Nein Tierleiu ist auf Erden
dir, lieber Gott, zu klein,
du ließ'st sie alle werden
und alle sind sie dein.
Das Vöglein in den Lüften
singt dir aus voller Brust,
die Schlange in den Klüften
zischt dir voll Lebenslust.
Die Fischlein, die da schwimmen,
sind, Herr, vor dir nicht stumm,
du hörest ihre Stimmen,
vor dir kommt keines um.
Vor dir tanzt in der Sonne
der kleinen Mücken Schwärm,
zum Dank für Lebenswonne
ist keins zu klein und arm.
5. Sonn', Mond gehn auf und unter
in deinem Gnadenreich,
und alle deine Wunder
sind sich an Größe gleich.
6. Kein Sperling füllt vom Dache
ohn' dich, vom Haupt fein Haar:
o teurer Vater, ivache
bei uns auch in Gefahr.
7. Zu dir, zu dir
ruft Mensch und Tier;
der Vogel dir singt,
das Fischlein dir springt,
8. Die Biene dir summt,
der Käfer dir brummt;
auch pfeifet dir das Mäuschen klein:
Herr Gott, du sollst gelobet sein.
Wunderhorn.
135. Sehet die Lilien auf dem Felde.
1. Äu schöne Lilie auf dem Feld,
wer hat in solcher Pracht
dich vor die Augen mir gestellt,
wer dich so schön gemacht?
2. Wie trägst du so ein weißes Kleid,
mit goldnem Staub besä't,
daß Salomonis Herrlichkeit
vor deiner nicht besteht!
3. Gott hob dich aus der Erde Grund,
hat liebend auf dich acht,
er sendet dir in stiller Stund'
ein Englein bei der Nacht.
4. Er wäscht dein Kleid mit Tau so rein
und trocknet's in dem Wind,
und bleichet es im Sonnenschein
und schmückt sein Blumenkind.