. Die Söhne der Witwe. 
n Sachsenhausen lebte vor etwa 80 Jahren eine 
alte/ arme Witwe. Sie hatte einen einzigen 
Sohn, den sie über alle Maßen liebte. Er war 
die Freude und das Glück ihres Alters und ihr 
einziger Ernährer. Beide lebten nämlich wie die 
meisten Sachsenhäuser von den Erträgnissen eines 
?ohn mit Sorgsalt bestellte. Da starb der Sohlt, 
und die arme Witwe war nun mutterseelenallein aus der weiten 
Gotteswelt. Sie hatte niemand mehr, der sich um sie und ihr 
kleines Gütlein kümmerte. 
Als darum der Frühling in das Land kam und die Sachsen¬ 
häuser ihre Felder und Gärten umgruben und bepflanzten, blieb 
der Acker der Witwe uubestellt. Deun das Mütterlein war zu alt 
und schwach, ihn selber umzugraben. Derjenige aber, der es hätte 
tun können, lag in der kühlen Erde wie die Samenkörnlein, die 
die Gärtner jetzt in das Land streuten. 
Die Sachsenhäuser Burschen, deren Freund der Verstorbene 
gewesen war, sahen den Acker wüst und verlassen daliegen. Sie 
dachten nn den tiefen Schmerz der armen Mutter, und es ging 
ihnen durchs Herz. Sie eilten zu ihr und sprachen: „Mutter, 
dein Sohn ist gestorben, und niemand wird deinen Acker bestellen, 
so wollen wir dein Gütlein pflanzen und bebauen, als ob es unser 
eignes wäre!" 
Als dies die Witwe vernahm, ging ein Sonnenstrahl des 
Trostes durch ihr Herz. Aber wer beschreibt erst ihre Freude, als 
an einem schönen Sommernachmittag ein hochbeladener Fruchtwagen 
vor ihrem Hüttlein hielt! 
Es waren die jungen, wackeren Burschen, die das Getreide 
geerntet hatten und es nun in die Scheune der Witwe einbrachten. 
Ihr Herz war tief bewegt. „Meinen einzigen Sohn hat mir Gott 
genommen," rief sie aus, „dasür aber hat er mir andre Söhne 
gegeben, die mir beistehe» in meiner Not und Verlassenheit. Ver- 
gelts euch Gott vieltauseudmal!" 
Deu Nachbarn, die umherstanden und der edlen Tat der 
jungen Leute zuschauten, wurde es warm ums Herz, und mancher 
rauhe Sachsenhäuser zerdrückte heimlich eine Träne. Jetzt hallten 
73 
Ackers, den der 
117
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.