Object: [Teil 3 = Sechstes - Achtes Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 3 = Sechstes - Achtes Schuljahr, [Schülerband])

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vernommen haben, und dennoch hingen seine Blicke wie geistesver¬ 
loren an den drei elfenbeinernen Kugeln, die auf dem nächsten Billard¬ 
tisch inmitten des grünen Tuches lagen. Und da kam es ihm vor, 
als wären die beiden weißen Kugeln die zarten, lieben Gesichter seiner 
zwei kleinen Mädchen, und die rote Kugel erschien ihm wie das ge¬ 
sunde, pausbäckige Gesicht seines herzliebsten Buben. Und diese drei 
Gesichter schauten ihn an mit großen, ängstlichen Augen, und diese 
Augen schienen zu sprechen: „Vater, um Gottes willen, Vater, laß 
dir nur ja nichts einreden von dem schlechten Kerl! Schau, was 
hättst denn davon, wenn du einen Haufen Geld im Kasten liegen 
hättest und könntest deinen Kindern und der Mutter nimmer gerad 
in die Augen schauen! Laß dir nichts einreden, Vater!" Mit einem 
jähen Ruck sprang der junge Mann von seinem Stuhl empor, streckte 
das zorngerötete Gesicht mit den blitzenden Augen weit über den 
Tisch und stammelte mit heiserer Stimme: „Und das weitere, meinen 
Cie, das wird sich dann schon finden? Wenn Sie mich erst einmal 
auf zehn Jahr in Ihren Händen Hütten, dann könnten Sie mich 
schon so lange kneten und bearbeiten, daß mir schließlich nichts andres 
übrig bliebe als ein Schuft zu werden und Ihnen das Fabrikations¬ 
geheimnis meines jetzigen Herrn zu verraten." 
Zornig packte er seinen Hut, stülpte ihn über die gesträubten 
Haare, stapfte mit langen Schritten davon und schoß zur Türe hin¬ 
aus. Die Augen aus das beschneite Pflaster gesenkt, so stürmte er 
heimwärts. Bilder der Erinnerung huschten an seiner Seele vorüber. 
Er dachte an die Lehrlingszeit zurück, die er in einem chemischen Labo¬ 
ratorium durchgemacht hatte, und an die ersten Gesellenjahre, die er 
weit von der Heimat in einem großen Glaswerk verbracht. Dann 
war er heimgekommen und hatte in der Seydelmannschen Majolika¬ 
fabrik eine sichere Stelle gefunden. Der gute Herrgott hatte ihm 
ein liebes Weib und gesunde, lustige Kinder beschert — ja, was wollte 
er denn noch mehr? Ein wenig knapp ging es freilich her zu Hause; 
aber wenn da nun auch ein paar kleine Rückstände bei den unent¬ 
behrlichen Handwerksleuten nicht zu vermeiden waren — er hatte ja 
nur eine kurze Woche noch auf den Neujahrstag zu warten, an welchem 
Herr Seydelmann für den Glückwunsch jedes Beamten und Arbeiters 
mit einem ganzen Monatsgehalte zu danken pflegte. Und diesen 
Herrn, der ihm erst vor acht Tagen den größten Beweis seines Ver¬ 
trauens gegeben hatte, den hätte er verraten und verkaufen sollen? 
Bei diesem Gedanken warf Schaller die geballten Fäuste so zornig
	        
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