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Arbeitnehmer stehn zn einander in einem ähnlichen Verhältnis, wie Ver¬
käufer und Käufer. Der Arbeiter bietet seine Arbeit an; der Arbeitgeber
sucht sic. Es leuchtet demnach ein, daß auch der Preis derselben von Ange¬
bot und Nachfrage abhängig ist. Bedarf ein Arbeitgeber vieler Arbeiter, und
sind diese nicht zahlreich vorhanden, so werden sie höhere Forderungen stellen
können, und ersterer wird mehr Lohn gewähren müssen; umgekehrt, findet
sich ein Überstuß von Arbeitern, so werden sie auch billiger zu haben sein.
Daß außerdem der Lohn auch noch von den Leistungen abhängt, lehrt
ohnehin die tägliche Erfahrung. Ein Pnckträger, Straßenkehrer, Mörtel-
träger u. s. w. wird nicht einen Lohn beanspruchen können oder erhalten,
wie ein Uhrmacher, ein Graveur, ein Kunsttischler. Warum? Weil die von
den erstgenannten zu verrichtenden Arbeiten wenig Geschicklichkeit, also keine
besondere Vorbildung erfordern und deshalb von den meisten Leuten leicht
ausgeführt werden können, während die der letztgenannten eine Ausbildung
voraussetzen, die nur wenige sich erworben haben. Derartige Vorbildung
fordert aber nicht nur Zeit und Kraftaufwand, sondern auch Opfer an
Geld, welche später durch den Arbeitsertrag wieder ersetzt werden müssen.
Darum wird die geistige Arbeit besser bezahlt, als die bloß körperliche. Auch
innerhalb derselben Beschäftigungsart ist der Lohn nach der besondern
Leistung des einzelnen verschieden. Ein Schneidergcselle, welcher besser, schöner
und rascher arbeitet, erhält mehr Wochcnlohn als ein andrer, der in seinen
Leistungen hinter jenem zurückbleibt. Bei vielen Geschäften ist die Löhnung
nach Stück und nicht nach Zeit eingeführt, so daß es in die Hand des Ar¬
beiters selbst gegeben ist, sich einen höhern Lohn zu erwerben.
Der Lohn, den der Unternehmer seinen Arbeitern gewährt, wird ferner
bestimmt durch den Preis und den Absatz der gefertigten - Artikel. Denn
eigentlich verbinden sich Unternehmer (Kapitalist) und Arbeiter zur Er¬
zeugung von Waren, und der Gewinn sollte sich auch unter beide teilen, da
die erzeugte Ware als Eigentum beider zn betrachten ist. Die Sache ver¬
hält sich aber in Wirklichkeit doch einigermaßen anders. Für die meisten
Unternehmungen ist ein Anlage- oder Betriebskapital erforderlich, zn dem
der Arbeiter nichts beitragen kann, sondern das der Arbeitgeber allein be¬
schaffen muß. Ferner kann eine erzeugte Ware oft nicht gleich, ja manch¬
mal erst nach langer Zeit verkauft werden. Der Arbeiter aber kann so
lange nicht warten. Er muß also die Arbeit dem Unternehmer allein über-.
lassen, der damit auch die alleinige Gefahr für den Absatz übernimmt. Der
Arbeiter begnügt sich mit einer Abfindung, die ihm nach gegenseitigem Über¬
einkommen in der Form des Lohns gewährt wird. Abgesehen von der
Verzinsung des Anlage- und Betriebskapitals, muß der Unternehmer auch
einen Gewinnanteil für seine Arbeit in Anspruch nehmen. Ist der Absatz
der Ware ein günstiger, so wird auf den Unternehmer allerdings ein ver-
hältnismäßig großer Gewinnanteil kommen, und es erscheint in diesem Falle
der Arbeiter im Nachteil. Wenn der Absatz aber ein ungünstiger ist, hat