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theils in der Reibung der einzelnen dasselbe zusammensetzenden
Nationalitäten auszehrte und welche noch dazu in Italien von
einem äußeren Feinde zu fürchten hatte, wäre die Last der Ver-
theidigung wesentlich aus Preußen gefallen. Deshalb verlangte
Preußen, daß, ehe man an die Lösung der Rechtsfrage über den
Besitz des Landes gehe, bestimmt werde, daß die in Schleswig
vorhandenen Streitkräfte und militärischen Einrichtungen in einen
vollständigen Zusammenhang mit der preußischen Armee gesetzt
werden sollten: daß serner die holsteinischen Truppen zwar unter
preußischem Commando stehen, aber nach wie vor einen Theil
des 10. Armeecorps bilden sollten; daß Rendsburg zur Bundes-
festung erklärt werde, und daß die Halbinsel Alsen, als der ge-
sährdetste Punkt Schleswigs, einige Punkte in der Umgegend
von Kiel zur Anlegung eines Kriegshafens und endlich Terrain
an den beiden Enden eines anzulegenden Nord-Ostseekanals direkt
an Preußen abgetreten werde. Oesterreich weigerte sich dessen
auf das bestimmteste.
Zu gleicher Zeit wurden in Deutschland von allen Seiten
Pläne entworfen, den deutschen Bund umzugestalten, dessen Un-
Haltbarkeit nunmehr Allen einleuchtete mit Ausnahme einiger ver-
blendeten Regierungen, welche wohl einsahen, daß jede Verände-
rung in der Verfassung des Bundes ihrer erst im Jahre 1815
erworbenen Souveränität Abbruch thun werde. Endlich that
Preußen einen entscheidenden» Schritt, indem es am 10. April
1866 beim Bundestage auf Einberufung eines Parlaments aus
direkten Wahlen und nach allgemeinem Stimmrecht behufs Re-
form der Bundesverfassung antrug, und zwar in dem Sinne,
daß die Bestimmung eines festen Termins für die Berufung des
Parlaments fchon jetzt getroffen, die Vorlagen für dasselbe bis
dahin aber durch Vereinbarung der Regierungen festgestellt werden
sollten. Man wußte ja aus trauriger Erfahrung, wie gern der
Bundestag jedes Geschäft in die Länge zog oder in den Com-
Missionen begrub.
Man kann nicht sagen, daß dieser Antrag von dem deutschen
Volke mit Begeisterung, ja nicht einmal, daß er mit froher
Hoffnung aufgenommen wurde. Man mistraute dem Antrag-
steller. Der Leiter der preußischen Politik, Graf Bismarck, hatte
mit den eigenen Ständen Preußens bisher schwere, leidenschaftliche
Kämpfe geführt, in denen es sich wesentlich um die Herbei-
schaffung von Mitteln für Stärkung und Vermehrung der Wehr-
kraft Preußens gehandelt hatte, und die Regierung hatte mit
allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln gegen jeden in dieser
Richtung sich geltend machenden Widerstand angekämpft. Man
sah darin Zeichen einer ungemessenen Militärliebhaberei, welcher
die materiellen Kräfte des Landes geopfert werden sollten. Man
glaubte eben, daß dies alles nicht Mittel, fondern Selbstzweck
sein sollte, und meinte, für Deutschland erst die Freiheit sor-
dern zu müssen, weil sich dann die Einheit von selbst machen
werde. — Der Bundestag wählte eine Kommission zur Begut¬
achtung des Antrags. Für König Georg V aber scheint der