Full text: Heimatkunde und Arbeitsschule

II. Welches sind ^ die Forderungen'der Gegenwart? 5 
Quittung, ob die vermittelte Anschauung auch sein geistiger Besitz geworden 
ist. Darum liegt in der „Handlung" des Kindes das Geheimnis des Unter- 
richte?, wie denn auch die meisten Menschen im Dienste der manuellen 
Berufe stehen, hierbei wird der Hauptnachdruck auf die hohe Bedeutung 
der Vewegungsempfindungen und die mit ihnen verbundenen kin- 
ästhetischen Gefühle gelegt, die wir nicht, wie die übrigen Sinnesempfin- 
düngen, auf die Objekte der Außenwelt beziehen, sondern direkt mit unserem 
Ich-Bewußtsein verschmelzen. Demgemäß wird der Bedeutung der Bewe- 
gungsvorstellungen für die Gewinnung von Erkenntnissen eine große lvich- 
tigkeit zugeschrieben, der XDilte als Grundfaktor des seelischen Geschehens 
aufgefaßt und als Rennzeichen der Arbeitsschule diezielbewußte Tat, 
d. i. die geistig befruchtete Arbeit, hingestellt, von der man er- 
wartet, daß sie für das Leben bilde, kraftvolle Ivillenstriebe schaffe und 
ausgeprägte Persönlichkeiten bilde. 
Rißmann definiert in seiner von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Die 
deutsche Schule" 1911, S. 65 ff. den Begriff „Arbeit" als „die Kraft, die 
aufgewendet wird, einen erstrebten Zweck durch Überwindung von Wider- 
ständen zu verwirklichen". Arbeit ist ihm also nicht Tätigkeit schlechthin, 
sondern zielbewußte Tätigkeit, das Spiel eine Vorübung der Arbeit. 
Obgleich zwischen Körper- und Geistesarbeit kein grundsätzlicher Unter- 
schied gemacht wird, gesteht er der physischen Arbeit, besonders für das 
erste Kindesalter, ein höheres Interesse zu, da sie dem Bedürfnis körper- 
licher Bewegung und sinnlicher Darstellung entgegenkommt, was der Natur 
des Kindes entspricht. Sie tritt als Mittel plastischer Darstellung gleich- 
berechtigt neben Zeichnen, Sprache, Gesang. Die Arbeit wird nicht als 
Unterrichtsfach, sondern als Prinzip aufgefaßt,' sie kann dem Unterrichts- 
ergebnis vorangehen oder nachfolgen- sie ist ihm „der didaktische Motor", 
der Krafterreger, der sonst in der Anwendung von Zwangsmitteln (Lob, 
Tadel), in dem Hinweis auf den Nutzen des zu Lernenden, in dem kateche- 
tischen Unterricht (Fragestellung), in der Suggestion (direkte Einwirkung 
der Lehrerpersönlichkeit) oder in einer geistlosen Zielangabe gesucht wurde. 
Diese „Arbeitsschule", welche die freie Selbstentfaltung der Kräfte des 
Kindes fordert, tritt in Gegensatz zu der sogenannten „Autoritätsschule", 
bei der der Lehrer zu sehr die Hauptperson ist. Namhafte Pädagogen 
haben sich mit dem Problem der Handarbeit befaßt und können als vor- 
läufer der Arbeitsschulbewegung gelten. Michel de Montaigne verlangt, 
daß die Kinder handelnd repetieren sollen. Nach Tomenius soll die Hand- 
fertigkeit dazu dienen, daß der Schüler „die Hand in die Gewalt bekomme. 
Fehler vermeide, schön und schnell arbeite". A. h. grancke will durch 
die Handarbeit dem Müßiggang steuern, und Rousseau wünscht, Emil soll 
„arbeiten wie ein Bauer und denken wie ein Philosoph". Die Philan- 
thropen trugen dem Tätigkeitstrieb ihrer Zöglinge durch Einführung der 
Handarbeit in den Unterricht Rechnung, und bei Pestalozzi, der ein Selbst¬
	        
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