Full text: Die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt

104 6. Thüringer Wald, Frankenwald und Fichtelgeblrge. 
sieht man Fruchtfelder. Der Ackerbau kann also nicht die Hauptbeschäfti- 
gung der Bewohner sein; sie mußten vielmehr andere Nährzweige auf- 
suchen. Der Waldreichtum rief eine Holzindustrie hervor wie in 
keinem anderen deutschen Gebirge. Juug und alt ist beschäftigt, die med- 
lichen hölzernen Spielsachen, wie sie das Christkind beschert, anzufertigen. 
Über zwei Millionen Kilogramm solcher Sächelchen werden vom Thüringer 
Walde alljährlich in die ganze Welt versandt (Sonneberg. Walters- 
hausen). — Der Eisenvorrat ließ zahlreiche Hüttenwerke, Gießereien, 
Eisenwaren-, Gewehrsabriken und Schlossereien (Suhl, Schmalkalden) 
entstehen. In den Schieferbrüchen gewinnt man den Schiefer zu 
Schreibtaseln und Griffeln, zur Bedachung uud zum Wetzsteine (Lehesten, 
Saalfeld, Steinach). Der prächtige Quarzsand führte zur Anlage von 
Glasfabriken. Doch nicht Fensterglas uud Flaschen werden hergestellt, 
sondern hauptsächlich Glasperlen, Puppen-, Tier- uud Menschenaugen, 
physikalische Apparate [Barometer, Thermometers und gläserner Weihnachts¬ 
baumschmuck (Lauscha, Stützerbach, Steinheid, Ilmenau). Aber auch 
die Puppen selbst und allerlei niedliche Tierbilder fertigt mau an; denn 
man sinket gute Porzellanerde in genügender Menge (Limbach). 
Aus beut Meerschaum, der aus Kleinasien eingeführt wird, arbeitet 
man wertvolle Pfeifenköpse und Zigarrenspitzen (Ruhla). Die zahlreichen 
Farben gruben geben den Bewohnern einen billigen Stoff, die niedlichen 
Spielsachen zu bemalen. — Die reichliche Wasserkraft zwang man, Mühlen, 
Sägemühlen, Pochwerke usw. zu treiben. An den vielen mineralischen 
Quellen entstanden Kur- und Badeorte, z. B. Arnstadt, Berka, Blanken- 
bürg, Ilmenau, Eisenach. Wo aber genannte Schätze sich nicht sinden, 
da suchen sich die Bewohner in der Wollspinnerei, Wollzeug- und 
Flanellweberei eine Nahrungsquelle. 
v. Sprache, Sitten nnd Gebräuche der Bewohner. 
Seit alten Zeiten sind Thüringer- und Frankenwald an ihren Süd- 
abhängen von Nachkommen der Franken und an den Nordabhängen von 
solchen der Thüringer bewohnt. Der Kamm mit dem Rennsteig bildet 
die Grenze beider Stämme. Noch hente sagt man auf der einen Seite 
„draußen in Franken" und auf der anderen „drinnen in Thüringen". 
Aber anch zahlreiche Einwanderer aus Böhmen uud Schwaben ließen 
sich hier nieder. Diese trugeu viel zur Hebuug der Gewerbe- uud Fabrik- 
tätigkeit bei (Perlen- und Augenfabrikation). Die jetzigen Bewohner 
zeichnen sich durch großen Gewerbefleiß ans. Trotz des kärglichen Ver- 
dienstes bei schwerer Arbeit sind sie heiter und lebensfrisch. Zu seinem 
Glücke genügt dem Thüringer, wenn er Kartoffeln im Keller, Bier im 
Krug, Vögel im Käsige und Lieder in der Kehle hat. Gegen den Fremden 
sind die Bewohner gastlich, treu uud redlich. Die herrschende Sprache ist 
am Nordrande die obersächsische und am Südabhange die fränkische.
	        
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