Full text: Vaterländisches Lesebuch für die obern Klassen in den Volksschulen Bayerns

120 65. Die wässerigen Lufterscheinungen. 
sie fallen, und so kommt es, daß der Regen in Form von 
großen Wassertropfen die Erde erreicht. Die Regentropfen 
vergrößern sich also gerade in der Weise, wie ein im Schnee 
gewälzter Schneeball immer größer wird. 
Tau, Reif, Glatteis. 
Im Frühling und Herbst ist fast an jedem Morgen ein 
dichter, weißer Nebel über alles ausgebreitet, so daß man 
kaum das Ende der Straße erblicken kann. Nach einiger 
Zeit steigt oder fällt der Nebel. Wann steigt, wann fällt 
er? — Im Sommer dagegen sind die Nebel selten. Nur 
an kühlen Abenden sieht man graue Streifen über den 
Wiesen schweben, die vor uns gespensterhaft zu weichen 
scheinen, wenn unser Pfad mitten durch sie hindurchführt. 
Im Frühling und Herbst nebelt es häufig, in den 
Sommernächten taut es — d. h. der unsichtbare 
Wasserdunst schlägt sich an den am Erdboden 
liegenden oder doch nur wenig darüber erha¬ 
benen Gegenständen in Gestalt von kleinen 
Tropfen nieder. Es ist dies dieselbe Erscheinung im 
großen, die sich zeigt, wenn wir an Glas u. dgl. hauchen. 
Folgende Umstände sind bei der Taubildung wirksam: 
Unmittelbar nach Sonnenuntergang ist die Erde wärmer 
als die auf ihr liegenden Luftschichten, da sie als fester 
Körper den Tag über von der Sonne mehr Wärme empfangen 
hat als die lockere Lust. Während der Nacht hingegen 
verliert die Erde ihre Wärme durch Ausstrahlung schneller 
als die Luft. Der Erdboden erkaltet; dadurch erkalten auch 
die dem Boden zunächst liegenden mit Wasserdampf gefüllten 
Luftschichten, und der Wasserdampf verdichtet sich zu Wasser- 
bläschen, die aber so klein sind, daß sie für unsere Haut¬ 
empfindung nicht unterscheidbar sind. Diese Wasserbläschen 
erscheinen auf dem Grase und den Blumen als Tau. 
Der Tau ist also der feinste Regen und unterscheidet 
sich von diesem bloß dadurch, daß er nur aus mikroskopisch 
kleinen Bläschen besteht, und daß dieselben aus einer ge¬ 
ringeren Höhe stammen. 
Daß der Tau senkrecht von oben kommt, zeigt sich 
ganz bestimmt dadurch, daß ein überdachter Gegenstand am 
Morgen unbetaut gefunden wird, während ein ganz gleicher 
Gegenstand dicht neben jenem, aber freiliegend, stark von 
Tau benetzt erscheint.
	        
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