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Die Frau in Gemeinde und Staat. 
kommt sie täglich selbst ein- bis zweimal hin. Die Schwester erhält das Ver— 
sprechen, daß am nächsten Morgen eine zuverlässige Frau für ihren Schützling ein— 
treffen wird. Als eben Frau S. ihr Anliegen vorbringen will, klingelt das Telephon: 
der bekannte Arzt Dr. F. ersucht um eine Pflegefrau für eine Familie, in der 
die Frau einer Operation wegen in eine Klinik übersiedeln muß. Sie will jedoch 
nur in die so notwendige Trennung willigen, wenn sie die Ihrigen gut versorgt 
weiß. Auch hier wird bereitwillig Rat geschafft. 
In der Geschäftsstelle ist noch eine Dame von auswärts anwesend, die sich 
über die Einrichtungen der Hauspflege unterrichten möchte und mit großem Inter— 
esse den verschiedenen Vorgängen folgt. Sie wendet sich jetzt mit der Frage an 
die Vorstandsdame: „Zu welchen Arbeiten ist nun die Pflegerin in den betreffenden 
Haushalten verpflichtet?“ „Sie hat alle unter gewöhnlichen Umständen der Haus— 
frau zukommenden Arbeiten zu verrichten, nämlich Reinhalten der Wohnung, Kochen 
der Mahlzeiten, Waschen der Kinderwäsche, Sorge für die Reinlichkeit und für den 
Anzug der Kinder u. a. Daneben gilt es, der Kranken die nötigen Hilfeleistungen 
zu erzeigen und manchmal noch, kranke Kinder zu pflegen.“ — 
„Vielfältig sind ja die Pflichten einer Familienmutter, und Sie können sich 
denken, welcher Notstand oft in Familien eintritt, in denen die Mutter auf Wochen 
hinaus an ihren Obliegenheiten verhindert ist und niemand statt ihrer einspringen 
kann. Es beginnt Unordnung einzureißen, die Kinder werden schlecht genährt und 
gewöhnen sich an die Straße, wo sie vieler Gefährdung ausgesetzt sind. Wie oft 
hatte ferner mangelnde Schonung der Frau und Vernachlässigung in Krankheits— 
fällen schwere Schädigung, ja jahrelanges Siechtum für sie zur Folge. Vielfach 
mußte bei Erkrankung der Mutter die Familie getrennt, der Haushalt wenigstens 
zeitweise aufgelöst werden. Das alles will die Hauspflege verhüten durch Stellung 
eines Ersatzes für die fehlende Hausfrau. Sie dient also der Aufrechterhaltung 
des Haushalts und des Familienlebens, das vor allem auf der Tätigkeit der Haus— 
frau und Mutter beruht!“ 
Unterdessen hatte Frau S. ihre Bitte bei der Geschäftsleiterin vorgebracht. 
„Das trifft sich günstig,“ sagte diese, „im Vorzimmer wartet eine heute frei ge— 
wordene Pflegerin, die ganz in der Nähe der Familie wohnt. Ich werde sie sofort 
hinsenden.“ „Frau Treumann!“ ruft sie, und herein tritt eine freundliche, ältere 
Frau in sauberem Waschkleide. Diese berichtet rasch, daß ihre letzte Pflegebefohlene, 
die Frau eines Kaufmanns, sich wieder frisch und munter befindet, und zeigt das 
lobende Zeugnis vor, das sie von der Familie bei ihrem Weggange erhalten hat. 
Die Sekretärin händigt ihr die Adresse der Familie Herstfeld ein, und eiligen 
Schrittes begibt sich die Hauspflegerin nach ihrem neuen Wirkungskreise. 
Sehr erfreut über die schnelle Erledigung ihres Gesuches dankt Frau S. den 
Damen; es wird ihr gesagt, daß die Aufsichtsdame des betreffenden Bezirkes in 
den nächsten Tagen kommen und selbst alles weitere mit der Familie besprechen 
werde. Mit erleichtertem Herzen eilt sie ihrer eigenen Arbeitsstätte zu. 
Fanny Schäfer. 
146. Aus dem Leben einer „Gemeindeschwester“. 
Der Armenarzt schickte mich zu einem kranken Kind. 
„Nehmen Sie sich in acht, Schwester, der Mann ist ein wüster Geselle, 
einer der größten Raufbolde der ganzen Stadt“, sagte der Arzt warnend 
zu mir. 
Das klang nicht gerade tröstlich, aber was half es, ich mußte doch hin. — 
Es war ein dusteres, altes Haus, eine Mietskaserne, wie ich sie schreck— 
licher kaum je gesehen. Unwillkürlich mußte ich an die hübschen, kleinen Arbeiter—
	        
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