E. Die Gewebeindustrie. 201
Die Wollbereitungsanstalten (Wollwäschereien, -kämmereien) sind in ihrer Verbreitung
auf billigen Bezug der Wolle und auf leichten Absatz ihrer Erzeugnisse (gewaschene Wolle,
Kammzug), sowie ihrer Nebenprodukte (Wollfette, Pottasche usw.) angewiesen. Sie haben
daher auch selbständige Standorte, und zwar in und bei den Hafen- und Bahnplätzen,
wie Königsberg, Danzig, Hamburg, Bremen, Hannover, Plauen, Leipzig, Dresden, Mann-
heim, Köln und Düsseldorf.
5. Umfang der Industrie. 1895 wurden abzüglich der schon in der
Baumwollindustrie mitgezählten gemischten Industrien etwa 32000 Betriebe mit
286000 erwerbstätigen Personen gezählt, 1907 bestanden 12960 Bereitungs-
anstalten, Spinnereien und Webereien mit 202 900 Personen.
Die Zahl der Spindeln ist von 1861 bis 1909 von 1,4 auf 3,6 Mill.,
der Verbrauch an Rohwolle bis 1907 von 42000 auf 200000 t, die Woll-
einfuhr abzüglich der Ausfuhr von 20000 auf 189 000 t (1909) gestiegen.
Überall sehen wir also einen bedeutenden Aufschwung der Industrie. Roh-
wolle erhalten wir zu aus Australien, zu XU aus Argentinien, zu Vs
aus Britisch-Südasrika. Fabrikgewaschene Wolle liefert uns in größerem
Umsange Belgien, gekämmte wird aus Frankreich, Großbritannien und
Belgien bezogen. Darin haben wir auch bedeutendere Aussuhren, namentlich
nach Österreich-Ungarn. Der Gesamtwert aller Wolleinsuhr betrug 1909
Jis 464 Mill., der Ausfuhrwert <M> 110 Mill.
Im Verbrauch von Wolle steht Deutschland an zweiter Stelle; an erster
finden wir Frankreich, an dritter England, an vierter die Verein. Staaten.
Wollproduktion und -einfuhr genügen aber noch nicht dem Bedarf. Einer
Ausfuhr an deutschen Garnen von Jb 60 Mill., namentlich nach Groß-
britannien, Österreich-Ungarn und Japan, steht eine Einsuhr von
Mb 120 Mill. gegenüber. Davon stammen 4/s aus Großbritannien (feine Garne
siehe S. 197), der Rest aus Belgien, Frankreich, der Schweiz und Öfter-
reich. Die Ausfuhr von Wollwaren belief sich 1909 auf A 256 Mill.
(1885: 195,3) und hatte als wichtigste Absatzgebiete Großbritannien, die
Schweiz, die Niederlande, Dänemark und die Verein. Staaten. Dagegen
bezifferte sich die Einfuhr auf M 35 Mill. (1885: 12,6). Sie stammte
aus Großbritannien und der Schweiz. Unter den deutschen ausführenden
Industrien nimmt die Wollindustrie den 4. Platz eiu. Dem Produktionswerte
nach steht sie sicher an 4., vielleicht auch an 3. oder 2. Stelle; jedenfalls
gehört auch sie zu den allerwichtigsten Industrien Deutschlands. Aus
dem Weltmarkte kommt Deutschland erst nach England, also an dritter Stelle.
e) Die Geidenindustrie.
1. Gewinnung der Seide. Seide ist der Faden, aus dem die Raupe
des Maulbeerspinners ihre Puppenhülle, den Kokon, herstellt. Die Fäden
werden abgehaspelt, indem man drei oder mehr zu einem Faden vereint und
aus eine Garnwinde wickelt. Die so erhaltene Rohseide wird durch Zwirnen
mehrerer Fäden weiter verarbeitet. Die beste Seide ergibt die mittlere Schicht
des Kokons, die aus einem 300 bis 800 m langen, ununterbrochenen, abwickel¬
baren Faden besteht. Die äußere lockere Schicht (die Flockseide) und die