Der Gondoliere Kraftgestalten
ruhn singend in den Barken aus —
Signoren eilen schwarzverschleiert
mit flüchtgem Schritte jetzt nach Haus.
Bei den Arcaden an der Riva
da lehn' ich still und schau' ins Meer;
die kleinen Wogen hauchen spielend
zu mir die feuchten Düfte her.
8.
Abend in Venedig.
Und ferne wiegt der schönste Himmel
die blauen Wasser kosend ein;
es dringt des Südens warme Wonne
mir in das volle Herz hinein.
Ob auch der Marcuslöwe altert:
Venedig, du bist immer neu;
dem Meer und Himmel hold vermählet,
Sie bleiben ewig dir getreu!
Johannes Ernst.
Vgl. Geibel, Abendfeier in Venedig.
E I)
9.
e d e m.
Könnt' ich so schön wie du warst, o Venedig, und wärs nur für einen
einzigen Tag dich schaun, eine vergängliche Nacht.
Wieder von Gondeln belebt, von unzähligen, diese Canäle
schaun, und des Reichthums Pomp neben des Handels Erwerb!
Diese Paläste, verödet und leer und mit Brettern verschlossen,
deren Balcone sich einst füllten mit herrlichen Fraun,
wären sie wieder beseelt von Guitarren und fröhlichem Echo,
oder von Siegsbotschast, oder von Liebe zumal!
Still, wie das Grab, nun spiegelt und schwermuthsvoll in der Fluth sich
gothischen Fenstergebälks schlanker und zierlicher Bau.
Platen.
10.
Ter alte Nicolot.
Bin ein greiser Gondoliere,
bin ein armer Nicolot,
mag im Hospital nicht essen,
suche mit Gesang mein Brod;
singe, wo die Straßen enge,
daß die Unsern nur mich sehn,
aus der Piazza vor den Fremden
kann ich nicht so bittend stehn.
Als der Low' noch flog und siegte,
wo er mit den Flügeln schlug,
alle Barcaroli hatten
Silber da und Wein genug:
Und geschmückt mit seidner Schärpe,
und im Antlitz weiß und roth
war der junge Gondoliere,
war der reiche Nicolot.
Nicht den launenhaften Fremden,
unfern Edeln dienten wir,
Leinwand nicht und Baumwollplunder,
Sammt und Seide trugen wir.
Und im Dienste seines Dogen,
in des Fürsten goldnem Boot,
war der schöne Gondoliere,
war der stolze Nicolot.
In den Farben der Standarten
prangt nicht unser Löwe mehr,
auf den Schiffen, welche segeln,
weht nicht unsre Flagge mehr;
und von bessern Zeiten singend,
muß ich suchen mir mein Brod,
ich, der greise Gondoliere,
ich, der arme Nicolot.
Doch sie lassen mich nicht hungern,
mich, den kinderlosen Mann,
aus der armen Leute Fenstern
höret mich das Mitleid an.
Möge fegnen die Madonna,
die da schenken Wein und Brod
mir, dem greisen Gondoliere,
mir, dem armen Nicolot!
Ida von Düringsfeld.