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theuer, ein Freudenfest in England, sagt ein französisches Sprüchwort, gleicht
einem Leichenfest in Languedoc, wobei es freilich mit Schmausen und Spaßen
und allerlei tollem Spuk wunderlich genug zugeht. Auch das gesellige Wesen
des Franzosen geht ihnen ab, die englischen Gesellschaften sind meist sehr
trocken, langweilig und einsilbig, auch das Kartenspiel nach dem Abendessen
wird mit ernstem Schweigen abgethan; die Stände sind streng gesondert, und
der reisende Engländer John Bull (und man findet ihrer in der ganzen Welt,
das Reisen ist ihre Leidenschaft) macht sich durch einsilbiges, anspruchsvolles,
rücksichtsloses Benehmen bald unausstehlich. Schon die Erziehung ist darauf
angelegt, dem jungen Engländer jene stolze egoistische Selbständigkeit zu geben,
die sich sür den Mittelpunkt hält, um den sich Alles dreht; doch fehlt cs den
Schulen nicht an strenger Zucht (und Züchtigung) und Kinder lassen den
Eltern gegenüber die bescheidene Ehrfurcht nie vermissen. Die Engländer-
Haben einen entschiedenen Hang zum Sonderbaren, lieben leidenschaftlich das
Lotteriespiel, das Angeln, die Jagd, besonders die Hetzjagd aus Hirsche, Hasen
und Füchse, Hahnengefechte, Schwimm- und Ruderwettkämpse, Pferdewett-
rennen, und um den Sieg des einen oder andern edlen Renners werden Tau-
sende verwettet; denn auch das Wetten ist ihre Leidenschaft. In ihrer Lebens-
weise zeigt sich ein Streben nach physischem Wohlsein, nach dem häuslichen
Wohlbehagen und Comfort; und es giebt nichts Einladenderes als ein englisches
Familienfrühstück oder einen Familieutheeabend um den schönen Kamin des Wohn-
zimmers. Aber schon des Morgens zum Kaffee oder Thee ißt man kalte Fleisch-
speisen; wie sie denn überhaupt derbe, kräftige Speisen und schwere Getränke
besonders lieben: ihre Porter, Ale, Beefsteaks, Rostbeass, Plumpuddings sind
ja auch bei uns zu Lande allbekannt. Eine eigentümliche Sitte herrscht bei
den englischen Mahlzeiten: nach dem eigentlichen Essen erhält jeder Gast
eine kleine Serviette und ein mit Wasser gefülltes kleines Becken, darin fpült
man die Zähne und wäscht die Hände, ungenirt, Herren und Damen. Leibes-
Übungen sind in ihrer Erziehung ein wesentliches Stück, und das Boxen wird
schon in jungen Jahren durch Boxlehrer auf besonderen Boxplätzen geübt, in
alten, besonders in den Boxerclubs mit großer Kraft und Kunst fortgesetzt,
und schon manchen händelsüchtigen, übermüthigen, windigen Franzosen haben
ihre Faustpüffe zu Fall und zur Raison gebracht. Ost sieht man auf den
Straßen, auf öffentlichen Plätzen, vor Vierhäusern einen Kreis neugieriger
Menschen, die ein paar Boxer umstehen, deren Kampsspiel mit Zuruf, Tadel,
jauchzendem Applaus begleitend. Die Engländer sind nicht ohne Liebe zur
Natur, und die englischen Gärten mit der freien Mannigfaltigkeit und male-
rifchen Gruppirung ihrer Anlagen, ihren schönen Baumgruppen, Aeckern,
Gewässern, Villen, Wiesen und weidendem Vieh sind auch in Deutschland und
Frankreich zu finden. In Künsten und Wissenschaften stehen sie den Deutschen
nach; am meisten in Musik und Malerei, und wie sehr der Künstler bei ihnen
gegen den Mann von Titeln und Mitteln, gegen Adel und Großhändler zurück-
steht, das hat schon mancher berühmte Virtuos und Sänger und Componist er-
fahren. Doch haben sie auch hochberühmte Gelehrte, wie Newton, Hume,
Gibbon, Grothe, Macaulay, Thomas Moore, und Dichter wie Shakespeare,
Milton, Byron, Swift, Sterne, W. Scott, Bulwer, Goldsmith, James, Boz
Dickens, Burns. Aber die Literatur hat, auch hierin denCharacter nationalen