Full text: Donaugebiet und Rheinpfalz (Teil 2)

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hältnisse mit größerer Schnelligkeit und Nachdruck umwandeln wollte, den 
Germanen Befehle wie Sklaven erteilte und wie von Untergebenen Geld¬ 
zahlungen forderte, ertrug das Volk es nicht, weil es die gewohnte 
Ordnung der Dinge fremder Zwingherrschaft vorzog. Einen offenen Auf¬ 
stand wagten sie nicht, weil sie sahen, daß die Römer zahlreich am Rhein, 
zahlreich auch in ihrem eigenen Lande standen; sondern indem sie Varus 
bereitwillig aufnahmen, als würden sie alles tun, was ihnen befohlen 
würde, lockten sie ihn weit ab vom Rhein in das Land der Cherusker 
und an die Weser. Als er aufbrach, ließen sie ihn vorausziehen und 
blieben zurück, angeblich um Bundesgenosfen zu werben und sodann binnen 
kurzem zu ihm zu stoßen. Nachdem sie die Hülfsmacht, welche schon an 
einem bestimmten Platze bereit stand, herangezogen und die bei ihnen 
befindlichen Soldaten getötet hatten, rückten sie auf ihn an, als er schon 
mitten in den Waldungen steckte, wo kaum ein Ausweg zu finden ist. 
Mit einem Schlage zeigten sie da, daß sie Feinde sein wollten, nicht Unter¬ 
gebene, und vollbrachten furchtbare Taten. Tenn die Berge waren schluchten¬ 
reich und zerklüftet, die Waldungen dicht und voll riesiger Stämme, sodaß 
die Römer, bevor noch die Feinde sich auf sie stürzten, Not genug hatten 
sie zu fällen, Wege zu bahnen und, wo es Not tat. Brücken zu schlagen. 
Auch viele Wagen und Lasttiere führten sie mit sich — es war ja Friede; 
überdies begleiteten sie nicht wenige Kinder und Weiber und ein zahl¬ 
reicher Troß, sodaß sie auch deshalb schon ohne Ordnung und zerstreut 
marschierten. Dazu kamen, um sie noch mehr auseinander zu bringen, 
Regen und starker Wind. Der Boden selbst verstattete ihnen nur unsicheren 
Tritt, indem man leicht über Wurzeln und Baumstümpfe fiel; auch die 
Äste, welche abbrachen und herunterstürzten, brachten sie in Unordnung. 
Während die Römer sich so in hülflofer Lage befanden, umzingelten sie 
plötzlich die Barbaren von allen Seiten; immer durch das dichteste 
Gestrüpp, da sie ja der Fußpfade kundig waren. Anfangs schleuderten 
sie von weitem Geschosse, danach aber, als sich keiner wehrte und viele 
verwundet wurden, rückten sie dicht an sie heran. Denn da die Truppen 
nicht in geordnetem Zuge, sondern in buntem Gemisch zwischen Wagen 
und Unbewaffneten marschierten, konnten sie sich nicht auf einem Punkte 
sammeln und waren im einzelnen immer schwächer an Zahl, als die an¬ 
greifenden Barbaren. 
So schlugen sie denn dort, da sie — soweit es in einem dicht¬ 
bewaldeten Gebirge überhaupt möglich war — einen paffenden Platz 
gefunden hatten, ein Lager auf. Die Mehrzahl der Wagen und was 
ihnen sonst nicht durchaus notwendig war, verbrannten sie oder sie ließen 
es im Stich und zogen am andern Tage in besserer Ordnung weiter, so 
daß sie wirklich an eine lichtere Stelle gelangten; doch kamen sie nicht 
los, ohne Blut zu lassen. Als sie aber, von dort aufgebrochen, wieder¬ 
um in die Waldungen gerieten, wehrten sie sich zwar gegen die Angreifer, 
kamen aber gerade dabei in nicht geringe Not. Denn indem sie sich auf 
einen engen Raum zusammendrängten, damit Fußvolk und Reiterei zu¬ 
gleich mit voller Macht sich auf den Feind stürzen könnte, hatten sie unter 
sich, einer von dem andern und alle von den Bäumen viel zu leiden.
	        
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