Die Zeiten der Reformation.
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konnte nun frei ausführen, was er als Prinz erstrebt hatte, und
kein Fürst Deutschlands hat ihn an treuer Sorge für das geistige
und leibliche Wohl seiner Unterthanen übertroffen. Um dem Evan-
gelium in seinem Lande eine sichere Stätte zu bereiten, stiftete er
1576 die Universität Helmstädt, die bis zu ihrer Aufhebung in der
Westfälischen Zeit eine treue Bewahrerin evangelischen Forschungs-
eifers und religiöser Duldung und Milde gewesen ist.
Werfen wir einen Blick auf das eben Erzählte zurück, so sehen
wir, wie die einen unserer Fürsten der Einführung des Evan-
geliums widerwillig entgegentraten und nur durch äußere Rücksichten
veranlasst, seine Einführung gestatteten, während die anderen, wie
der sonst so milde Ernst und die fromme Elisabeth, selbst Gewalt-
maßregeln zu seiner Durchführung nicht scheuten. Solcher Zwang
erscheint uns heut zu Tage ungerecht und nicht zu dulden; kann
doch niemand gezwungen werden, daß er dies oder jenes glaube.
In jenen Zeiten dachte man zum theil anders. Rhegius schreibt
geradezu: „Man hält's für eine recht fürstliche That, so ein Fürst
mit seinem Schwert seine Stadt oder sein Land vor des zeitlichen
Feindes Belagerung beschützt, dast man sicher wohnen und wandeln
und bleiben mag: wie viel größer ist's denn, so ein Fürst sein ein-
fältig, unverständig Volk mit seiner Gewalt vor ewigem Verderben
errettet uud so viel thut, dast sein Volk die Wahrheit bei sich be-
halte und Jrrthum vertrieben wird." Das sind die Gesinnungen,
aus denen die furchtbare Lehre der späteren Zeiten entsprang, dast
wessen das Land, dessen auch die Religion sei (cujus regio ejus
et religio), eine Lehre, die von katholischen und protestantischen
Fürsten gleichmäßig oft mit furchtbarster Härte durchgeführt ist und
z. B. aus der Pfalz die ersten Deutschen Auswanderer über das
Meer trieb. Wir wollen dabei aber nicht vergessen, daß unsere
Fürsten nicht aus tyrannischem Muthwillen, noch weltlicher Zwecke
willen, denen so oft anderwärts die Religion zum Deckmantel dienen
mußte, so gehandelt haben, sondern daß sie, von der lebendigen
Ueberzeugung beseelt, daß der Fürst als rechter Landesvater sich auch
des geistigen Wohles seiner Unterthanen anzunehmen habe, bereit
waren, Roth und Verfolgung über sich ergehen zu lassen, und daß
sie sich mit der Mehrzahl ihrer Unterthanen und den Besten ihrer
Zeit in Übereinstimmung wußten. — Später sind zweimal Welfische
Fürsten zum Katholizismus übergetreten; zuerst Johann Friedrich
(1- 1679), Herzog von Calenberg, der in Italien, wie es scheint,
aus innerem Bedürfnisse übertrat, dann Anton Ulrich 1714),
Herzog zu Braunschweig, aus politischen Gründen. Beide haben