Gesundheit seines Weibes mehr galt, als das lebensunfähige Wesen,
das sie vollends zu untergraben drohte.
Er bewog Line, die in tränenloser Verzweiflung alles mit sich ge¬
schehen ließ, sich auf das Bett zu legen, wo sie in bleiernem Schlaf
ein paar Stunden ruhte. Als Fensen abends, früher als sonst, heim¬
kam, kniete sie wieder neben der Leiche des Kindes, die sie mit einem
reinen Hemdlein bekleidet hatte. Auf dem Kopfkissen neben dem starren,
kleinen Gesichte lag ein flüchtig zusammengeraffter Strauß von wilden
Glockenblumen. Die hatte Fiele auf das Gebot der Mutter vom Weg¬
rande herbeigeholt. Nun saß er unter dem Tisch und knabberte hungrig
an einem trockenen, hartgewordenen Stück Brot. Als er den Vater
eintreten sah, sprang er ihm entgegen und sagte anklagend: „Lütt Ernst
is dod, und Mudder deiht nir als weenen!"
Während der drei Tage, die noch bis zum Begräbnis verstrichen,
änderte Line ihr Benehmen nicht. Sie berührte kaum irgendwelche Speise,
die der geängstete Mann ihr fast mit Gewalt einzuflößen suchte. Die
Nachbarin Hinrichsen kam ein paarmal herüber, konnte aber auch nicht
viel ausrichten. Höchstens, daß sie den vernachlässigten Fiete wusch und
kämmte und ihm sagte, er solle mittags kommen, um bei ihr zu essen.
„De arme Jung kriegt ja de ganze Tag öwer nir Warmes in de
Liw," entschuldigte sie sich bei ihrem Manne, der sie hart anfuhr:
„Lat sin Mudder duch för em sorgen. De hört he duch wull to,
und se schul! leewer dat Flennen üm de lütt storbnen Jung laten un
uppassen, dat dat mit de annere ni ebenso geiht. Ring nuch sücht he ut!"
Gestern abend nun brachte der Tischler den kleinen Sarg. Line
selbst legte mit bebenden Händen den Körper ihres Kindes in die
Wiege, in der es den ewigen Schlaf schlafen sollte. Sie schnitt ein
paar hellrote Monatsrosen und leuchtende Eeranienblüten von ihren
Blumenstöcken am Fenster und legte einen Kranz davon um das wächserne
Eesichtchen.
Wie die duftigen, lebensvollen Blüten von dem blassen Toten-
antlih abstachen! Wie unter den Hammerschlägen des Mannes, der
den Sarg zunagelte, ihr Herz sich wand und krümmte, als träfe es ein
jeder bis ins Innerste hinein!
Ja, sie trafen auch! Tief, tief — und es gab keinen Trost!
Nicht in den unbeholfenen Liebesbeweisen ihres Mannes, die sie zwar
nicht abwehrte, aber doch gänzlich teilnahmslos über sich ergehen ließ.
Und nicht in den Worten des alten Pastors, der heute morgen ge-