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Im Jahrhundert der Reformation redete man ziemlich rein deutsch; außer
weniger italienischer, zum Teil auch spanischer Worte, so vermittelst des kaiserlichen
Hofes und einiger fremder Bedienten sich eingeschlichen. Solches aber, wenn es
mäßiglich geschieht, ist weder zu ändern, noch eben zu sehr zu tadeln, zuzeiten auch
wohl zu loben, zumal weuu neue und gute Sachen samt ihren Namen aus der
Fremde zu uns kommen.
Allein wie der dreißigjährige Krieg eingerissen und überhandgenommen, da
ist Deutschland von fremden und einheimischen Völkern wie mit einer Wasserflut
überschwemmt worden, und ist nicht weniger unsere Sprache als unser Gut in die
Rappnse gegangen; und siehet man, wie die Reichs-Akten solcher Zeit mit Worten
angefüllt sind, deren sich freilich unsere Vorfahren geschämt haben würden.
Bis dahin nun war Deutschland zwischen den Italienern, so kaiserlich, und den
Franzosen, als schwedischer Partei, gleichsam in der Wage gestanden. Aber nach
dem Münsterschen Frieden hat sowohl die französische Macht als Sprache bei uns
überhandgenommen. Man hat Frankreich gleichsam als Muster aller Zierlichkeit
aufgeworfen, und unsere jungen Leute, so ihre eigene Heimat nicht gekannt und des¬
wegen alles bei den Franzosen bewundert, haben ihr Vaterland nicht nur bei den
Fremden in Verachtung gesetzt, sondern auch selbst verachten helfen und einen Ekel
der deutschen Sprache und Sitten aus Unerfahrenheit angenommen, der auch an
ihnen bei zuwachsenden Jahren und Verstand hängen geblieben. Und weil die
meisten dieser jungen Leute hernach, wo nicht durch gute Gaben, so bei einigen zwar
nicht gesehlet, doch wegen ihrer Herkunft und ihres Reichtums oder durch andere
Gelegenheiten zu Ansehen und vornehmen Ämtern gelangt sind, haben solche fran¬
zösisch Gesinnte viele Jahre über Deutschland regieret und solches fast, wo nicht der
französischen Herrschaft (daran es zwar auch nicht viel gefehlet), doch der französischen
Mode und Sprache unterwürfig gemacht.
Ich will doch gleichwohl gern jedermann recht thun und also nicht in Abrede
sein, daß mit diesem Französischen auch manches Gute bei uns eingeführet worden.
Man hat gleichwie von den Italienern die gute Vorsorge für ansteckende Krank¬
heiten, also von den Franzosen eine bessere Kriegsanstalt erlernet. Man hat mit
einiger Munterkeit im Wesen die deutsche Ernsthaftigkeit gemäßigt und sonderlich
eins oder das andere in der Lebensart etwas besser zur Zierde und Wohlstand, auch
wohl zur Bequemlichkeit eingerichtet und, soviel die Sprache selbst betrifft, einige
gute Redensarten als fremde Pflanzen in unsere Sprache selbst versetzt. Deshalb,
wenn wir nun etwas mehr als bisher deutsch gesinnt werden wollten und den
Ruhm unserer Nation und Sprache etwas mehr beherzigen möchten, als einige
dreißig Jahre her in diesem gleichsam französischen Zeitabschnitte, so könnten wir
das Böse zum Guten kehren und selbst aus unserem Unglück Nutzen schöpfen, und
sowohl unfern innern Kern des alten, ehrlichen Deutschen wieder hervorsuchen, als
auch solchen mit dem neuen äußerlichen, von den Franzosen und anderen gleichsam
erbeuteten Schmucke ausstaffieren."
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