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Scheppler. Durch den Konfirmandenunterricht war sie in nähere Be¬ 
rührung mit dem Pfarrhause gekommen. Hier freute man sich des 
regen Geistes und des herrlichen Gemütes des armen, barfüßigen 
Mädchens. Luise aber kannte keine größere Freude, als in dein 
Pfarrhause freiwillig kleine Dienstleistungen zu übernehmen oder 
die Frau Pfarrer auf ihren Gängen zu Armen und Kranken zu 
begleiten und ihr den Korb mit den Lebensmitteln zu tragen. Die 
größte Freude aber ward ihr zuteil, als sie nach ihrer Konfirmation 
als Magd in das Pfarrhaus einziehen konnte. 
Zu lernen gab es für sie sehr viel. Das Hauswesen stellte 
manche Anforderung, der ihre Geschicklichkeit noch nicht gewachsen 
war. Aber Frau Oberlin wies sie nicht nur in solchen Dingen 
au, sondern setzte sich auch neben sie und unterwies sie im Lesen 
und Schreiben. Man konnte sich keine fleißigere und dankbarere 
Schülerin denken. War man im Pfarrhause überhaupt gewohnt, früh¬ 
zeitig aufzustehen, so war doch Luise oft die allererste, uni die Morgen¬ 
stunden ungestört zum Lesen im Katechismus und in der Bibel be¬ 
nutzen zu können. 
Oberlin merkte gar bald, daß er an der neuen Magd nicht 
bloß eine Helferin im Hause, sondern auch eine treffliche Gehilfin 
seines Wirkens in der Gemeinde gefunden hatte. Wo es galt, Wohl¬ 
taten zu spenden, Hilfe zu leisten, da war Luise ein geeigneter Bote 
und Vermittler. Auch Geschick zur Lehrerin und Erzieherin entdeckte 
der Pfarrer bald in seiner Magd. Luise hatte große Liebe zu kleinen 
Kindern. Mitleidig blickte sie auf die noch nicht schulpflichtigen 
Kleinen, wenn sie auf der Dorfstraße lärmten und weinten. Die 
Eltern waren meist fort zur Arbeit in Wald und Feld. Die Kleinen 
aber waren sich selbst überlassen und vielen Gefahren, vor allem 
der Gefahr der Verwahrlosung, ausgesetzt. Luise sann und sann, 
ob es nicht möglich sei, von ganz früh an ein besseres Geschlecht 
aufzuziehen. Da nahm sie einmal kleine Knaben und Mädchen in 
mütterliche Pflege, reinigte sie zuerst, setzte sie dann in Reihe und 
Glied, erzählte ihnen eine kleine Geschichte, saug ihnen ein Lied¬ 
chen vor, spielte dann mit ihnen, zeigte und erklärte ihnen Bilder 
— kurz, das Steintaler Bauernmädchen tat, was jetzt die dazu be¬ 
sonders vorbereiteten Kindergärtnerinnen tun. 
Oberlin sah staunend zu, freute sich und unterstützte seine Luise. 
Er sorgte für helle Räume zur unentgeltlichen Aufnahme der Kinder 
vom dritten bis zum siebenten Lebensjahre. Auch Bilder beschaffte 
Oberlin. Luise Scheppler aber ist diesem Dienste an den Kleinen 
treu geblieben bis an ihr Lebensende. Achtuudfünfzig Jahre lang 
Niedersächsisches Lesebuch. III. 10
	        
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