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herstellen. Zu ihr gehört also die Leinen-, Woll-, Baummoll-
und Seidenindustrie. Die Webeindustrie muß zum großen Teile
ihre sämtlichen Rohstoffe aus dem Auslande beziehen. Die Einfuhr von
Rohstoffen hatte im Jahre 1908 einen Wert von 1 a/R Milliarden Mark.
Von den daraus hergestellten Webewaren und Kleidungsstücken wurden
nach Befriedigung des großen Bedarfs in Deutschland dennoch fast für
4/& Milliarden Mark Waren ausgeführt. Übertroffen werden die
erzeugten Mengen derdeutscheu Weberei nur von England.
Deutsche Woll- und Leinenwaren hatten schon im Mittelalter
Weltruf. — Die Lcinenindustrie hat besonders in den Flachsbaugegenden
weite Verbreitung gefunden. Die Haupt sitze derselben sind der Nord-
abhang der Sudeten, die Oberlausitz und die Bielefelder
Gegend. Die Leinenindustrie verarbeitet außer dem in Deutschland gewonnenen
Flachse noch Flachs und Hans aus Rußland und Italiens. — Die Jute-
iuduftrie. Diese hat in neuerer Zeit auch in Deutschland einen bedeutenden
Aufschwung gewonnen. Sie verarbeitet die Fasern der indischen Jute-
pflanzen (Abb. zeigen!) zu Packstoffen, Säcken, Gardinen u. a.
Sachen^). Die Wollindustrie verarbeitet neben der deutschen auch
große Menge ausländischer Wölk3). Ihre Hauptsitze sind Schlesien,
Brandenburg (Niederlausitz), das westliche Sachsen, das östliche
Thüringen, das Wuppergebiet und der Aachener Bezirk. Aus-
geführt werden an Wollwaren für etwa 250 Mill. Mark; im Lande verbleiben
Wollwaren im Betrage von 500 Mill. Mark. — Die Baumwollen-
induftrie Deutschlands wird in Europa nur von der Englands
übertroffen4)' Die Hauptsitze der deutschen Baumwollenindustrie sind
das Oberelsaß, das Wuppertal, Augsburg und Umgebung, das
Vogtland, das Erzgebirge, die Lausitz, Berlin und Umgegend. —
In der Seidenindustrie folgt Deutschland gleich auf Frankreich, das in
der Seidenfabrikation obenan steht6). Der Mittelpunkt der deutschen
Seidenindustrie ist Krefeld. Aber auch Elberfeld, Barmen, Gladbach,
Mülhausen und Berlin haben eine bedeutende Seidenindustrie. — Zu¬
sammenfassung und Einprägung. —
c) In der chemischen Industrie (Drogen, Apotheken und Fabriken)
ist Deutschland das erste Land der Welt. Man rühmt den
deutschen Fabrikaten ihre Reinheit nach. Ein großer Teil der chemischen
Fabriken verdankt seine Entstehung dem Staßsurter Salzlager.
Diese haben Veranlassung zur Fabrikation von künstlichem Dünger
gegeben. Aus der Braunkohle werden Teer, Paraffin und Solaröl
gewonnen; aus dem Steinkohlenteer bereitet man die prachtvollen
*) Außer den 20 Mill. t deutschen Flachses werden 44000 t Flachs aus Ru߬
land, 10 000 t Leinengarne aus Belgien usw. und 50 000 t Hans (russischer und
italienischer) verarbeitet
9) Die Einfuhr roher Jute betrug 1907 154 000 t (aus Indien).
») Außer 20 000 t deutscher noch 175 000 ausländische Wolle und 10 000 t
Wollgarne.
*) England zieht alljährlich 1680 Mill. M (Brutto) durch die Baumwollen-
induftrie, Deutschland nur 432 Mill. M.
°) In Deutschland halten sich Ein- und Ausfuhr mit 160 Mill. M. das Gleich¬
gewicht; Frankreich erzielt einen Überschuß von rund 35 Mill. M.