Full text: Leitfaden der preußischen Geschichte

König Friedrich Wilhelm I. als Volkswirt. 
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den Bürgern, daß sie die Straßen pflasterten, reinigten und abends be¬ 
leuchteten. Ms der westfälische Friede den Verwüstungen des schrecklichen 
Krieges ein Ziel setzte, da kannten die Brandenburger sich bereits der 
Segnungen des Friedens erfreuen. 
Rastlos fuhr der Kurfürst auch nach dem Kriege fort, den Wohlstand 
seiner Untertanen zu heben. Er ermunterte und unterstützte diejenigen, 
welche ein Gewerbe begründen oder Fabriken anlegen wollten. Er selbst 
richtete mehrere Glashütten, Eisen- und Blechhämmer, eine Gewehrfabrik, 
eine Seidenweberei und eine Zuckersiederei ein. Arbeitsscheue Bettler ließ 
er aufgreifen und in Fabrikorte bringen, wo sie ihr Brot verdienen mußten. 
Im Jahre 1685 bot er den französischen Untertanen, welche um 
ihres Glaubens willen ihr Vaterland verließen, eine neue Heimat in seinem 
Lande an. Mehr als 16000 französische Flüchtlinge folgten seiner Lin- 
' ladung. Sie lohnten des Kurfürsten menschenfreundliche Gesinnung nicht 
nur dadurch, daß sie treue Untertanen wurden, sondern auch, indem sie 
manchen neuen Lrwerbszweig in Brandenburg einführten und bereits vor¬ 
handene verfeinerten. Die Franzosen, die sogenannten Réfugies, d. h. 
Flüchtlinge, brachten den Seidenbau und die Zeidenweberei wie auch die 
Spiegelfabrikation in die Mark. Lin Franzose schlug in Magdeburg den 
ersten Strumpfwirkerstuhl auf,- ein anderer legte in dem benachbarten 
Burg die erste Papiermühle an. Buch den Hut-, Handschuh- und Perücken¬ 
machern waren die Einwanderer Lehrer und Vorbilder. Der Tuchmacherei 
wandte der Kurfürst ganz besondere Fürsorge zu. Zur Belebung des woll- 
und Tuchhandels rief er in der Ztadt Brandenburg einen neuen wollmarkt 
ins Leben,' auch erließ er Bestimmungen zur Verbesserung der einheimischen 
Tuchfabrikation und verbot die Einfuhr fremden Tuches. In ähnlicher 
weise förderte er die Bielefelder Leinenindustrie. 
Das Wohl der Handwerker lag dem Kurfürsten sehr am Herzen. 
Noch im letzten Jahre seiner Negierung erließ er eine Handwerkerordnung, 
welche mit manchem überlebten Brauch aufräumte. 5o sollten z. B. 
fortan Zähne von Nachtwächtern, Zchäfern, Pfeifern, Barbieren, Toten¬ 
gräbern, deren Beruf bisher für „unehrlich" gehalten wurde, von den 
Zünften als Lehrlinge zugelassen werden, ebenso Bauernsöhne. Nuf die 
Lehrzeit sollte eine mindestens N/s Jahre währende wanderzeit folgen. 
Um den Verkehr lebhafter zu gestalten, erließ der Kurfürst eine Ver¬ 
ordnung zur Verbesserung der Landstraßen,' auch ließ er Brücken und 
Dämme bauen und an einsamen Wegstrecken Gasthäuser anlegen. Durch 
den Bau des Friedrich-Wilhelm-Kanals erwies er dem Güterverkehr einen 
wichtigen Dienst. Zo hat der Große Kurfürst sein Land nicht nur wehr¬ 
haft, sondern auch erwerbsfähig gemacht, und in ^doppeltem Zinne gilt, 
was sein Urenkel über ihn sagte: ,,Der hat viel getan!" 
Nach W. Pierson u. a. 
König Friedrich Wilhelm I. als Volkswirt. 
1. Nicht durch glänzende Kriegstaten hat sich der zweite preußische 
König hervorgetan; vielmehr sind seine Erfolge auf dem Gebiete der Staats¬ 
verwaltung und der Volkswirtschaft zu suchen,' aber hier hat er wahrhaft 
Großes geleistet.
	        
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