Contents: Sieben Bücher deutscher Dichtungen

I. Älterer Zeitabschnitt. (1740-1800). 
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Die dir Halvar 16) zum Denkmal ließ: 
Er gab sie dir, er nahm sie mir. 
Du überträfst mich nicht in Liedern, 
Wär' nicht der Raub des Frevlers dein! 
Gieb mir die Goldharf', sie ist mein! 
Nicht so! sprach ich mit ernster Stirn': 
Was mir mein Freund geschenkt, war 
sein. 
Ist jetzt mein Stolz, mein Schmuck, 
mein Ruhm, 
Und wird dereinst mein Nachruhm sein. 
O glaube mir, nicht der Besitz 
Der Goldharf' ist's, der Dichter macht. 
Erhebe dich, entzünde deinen Witz 
Mit Bragurs edler Glut; 
Fach' auf dein träges Blut, 
Streb' himmelan zu dringen! 
So wirst du besser singen! 
Zur Wut erhitzt und Funken sprühend 
Aus rohem Auge, fordert er 
Zum Kampf des kurzen Speers mich auf. 
Da soll, sprach er, der Rächer Frö 
Mit warmem Blut die Wahrheit rächen ! 
Da mag, sprach ich, Frö, der Gerechte, 
Die Wahrheit schützen und mich rächen! 
Der neugeborne Tag entschlüpft dem 
Meer; 
Sträubig rauscht von oben her 
Der Hahn Valholls, und kräht 
Sein kriegrisch Lied, und hebt den gold- 
nen Kamm' 
Aus Heliars Palast tönt ihm 
Der l^rde Hahngeschrei entgegen! 
Auf! auf! Zum Kampf aus später 
Ruh! 
Ruft GotlandsiH Heldenjugend uns zu. 
Schon treten wir, mit Helmen an- 
gethan. 
Auf die blutlechzende Todesbahn; 
Schon schließt sich um uns her die 
Schar 
Der Richter, die durch weißes Haar 
Und langen Bart ehrwürdig war! 
Schon blinkt der Geier im Sonnen¬ 
strahl ! 
Schon strömt die Purpurwunde! 
Schon öffnen Endils Wölfe18) 
Auf meinen Feind den gier'gen Schlund! 
Ach, mir Unglücklichen! da schlüpft 
Die Ferse mir im schwarzen Blut; 
Da stürz' ich hin, und über mich 
Mein sterbender Feind! Schmach, Wut 
und Scham 
Begrub mich noch im Todesschlummer, 
Als mich ein jammernd Klaggeschrei 
Vom Ozeane her erweckt. 
Ich seh, ich seh! o Schauer! o Ent¬ 
setzen! 
Ach, warum lebt' ich, es zu sehn? 
Ich sehe meinen Freund, den besten 
Der Menschen, meinen treuen Halvard, 
Der Freundschaft Urbild, jetzt des Todes 
Bild, 
In Schleier der ewigen Nacht gehüllt, 
Zu meinen Füßen lag er, seufzte noch. 
Und hob die schwere Brust. Ihn hatte 
Sein eignes Schwert, zu eingedenk 
Des hohen Schwurs, gestürzt, da er 
Mich fallen sah. Ach! wehe, wehe mir! 
Warum mußt' ihn ein falscher Anblick 
trügen? 
Warum sein ersterAnblick seinesFreund's? 
Nicht darum war er, nach drei langen 
Jahren, 
Dem Busen seines Thorlaugs zugeeilt! 
Ich warf verzweiflungsvoll 
Auf seinen Leib mich hin, verbarg 
Mein Angesicht in seine Brust und 
schluchzte: 
Ach nein, Halvard, du bist nicht todt! 
Nein! bei den Göttern, nein! du schlum¬ 
merst nur! 
Es ist ein dichter Schlaf, der dich er¬ 
quickt ! 
Umsonst! umsonst! die lange Nacht 
Versiegelte sein Heldenauge! 
Er war auf ewig mir entschlummert! 
Man riß mich grausam aus des Todten 
Arm. 
Mit wildem und zerbrochnem Blick 
schaut' ich 
Zum Himmel; da ermannt' ich mich, 
Und sprach: Ich will dem teuern 
Mörder 
Ein Grabmal baun, und seinem Hü¬ 
gel nah 
Ein'n Brandaltar erbaun, zur Ehre 
Der Freundschaft! des Unsterblichen! 
Ich that's; mein letztes Opfer flammte 
Durch Wolken aus; ich schwang dreimal
	        
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