Y. Winter.
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Saat. Nun fallen weiche Schneeflocken hernieder und bilden eine weiche,
warme Decke, welche die Saat vor dem Erfrieren schützt.
„Und unterm Schnee, da liegt so warm,
Wie's Kindlein in der Mutter Arm,
Das Saatkorn dort und wartet still,
Ob's wieder Frühling werden will."
Wenn die Schneeflocken fallen, so fangt einige mit eurer Schiefertafel
auf! Jede Flocke bildet ein sechseckiges, zartes Sternchen. — Als ihr heute
morgen aufgestanden wäret und aus dem Fenster sehen wolltet, war euch das
nicht möglich, denn die Fenster waren mit einer dünnen Eisdecke überzogen,
die allerlei schöne Blumen zeigte — Eisblumen. Sie haben freilich keinen
schönen Geruch uud keine lieblichen Farben, wie die Gartenblumen; aber sie
erfreuen uns durch ihre herrliche Gestalt. Wie entstehen diese Eisblumen am
Fenster? In der warmen Stube sind viele Dünste und Dämpfe. Diese setzen
sich an das Fensterglas, immer mehr und mehr legen sich an das Glas
so dicht, daß wir nicht hindurch sehen können. Wir sagen: Die Fenster
schwitzen. Wenn es nun im Winter recht kalt wird, so gefriert der Schweiß
am Glase und es bilden sich die Eisblumen, an denen wir unsere Freude
haben. Der Winter ist ein geschickter Maler! — Wieso?
Oft erscheinen auch die Bäume wie mit glänzend weißem Zucker über--
streut. Was ist das, was die Äste der Zweige gleichsam wie mit Zucker
bedeckt? Wie entsteht der Reif? — Wie herrlich sehen die mit Reif ge-
schmückten Bäume aus!
„Seht meine lieben Bäume an, Von unten an bis oben aus
Wie sie so herrlich stehn, Auf allen Zweigelein
Auf allen Zweigen angetan Hängt's weiß und zierlich, zart und kraus
Mit Reif gar wunderschön! Und kann nicht schöner sein."
Der Winter ist aber auch ein Zuckerbäcker. Wieso?
Aber auch Brücken baut er über die größten und tiefsten Ströme. Welche
Brücken meine ich wohl? In einer Nacht sind sie fertig geworden. Wer
hat sie gebaut? Wie können wir deshalb den Winter auch noch nennen?
Der Winter ist ein geschickter Baumeister. Wieso?
So schnell, wie diese Brücken fertig geworden sind, so schnell können
sie auch wieder verschwinden. Was schickt der liebe Gott, wenn die Eisbrücken
verschwinden sollen? Plötzlich tritt Tauwetter ein. Dann schmilzt das Eis
und der Schnee, und die Knospen an den Bäumen und Sträuchern möchten
wohl gar schon ihr warmes Mützchen abnehmen und ihre grünen Blättchen
entfalten; aber:
„Geduld, du kleine Knospe im lieben, stillen Wald,
Es ist noch viel zu srostig, es ist noch viel zu kalt."
Bald ändert sich das Wetter wieder; der Nordwind fegt über die Felder
und bringt wieder Schnee und Eis.
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