Vorwort zur Auflage.
Im Gebiete der Rinne, bei Cordobang im Rndolstädtischen, führt ein
hochgelegenes Ackergrundstück den Namen „die halbe Welt." wenn auch be-
wogen durch die fich hier bietende weite Rundficht auf einen guten Teil des
schwarzburgifchen Landes und darüber hinaus, mag es dem Erfinder
dieser Benennung doch mehr oder weniger nur um einen Scherz zu thun ge-
wesen sein, wäre der Namengeber ein Humboldt gewesen, nach dessen Worte
die Natur in jedem Winkel der Erde ein Abglanz des Ganzen ist, dann könnte
es wirklich in seiner Abficht gelegen haben, einen so verschwindend kleinen
Teil der Erdoberfläche zum Rahmen der halben Welt zu machen; ja, er hätte
fich alsdann noch weltumfassender ausdrücken und sür „ h a l b e Welt" „ganze,
weite Welt oder Erde" sagen können. Und das mit Lug und Recht; denn
wenn du genaue Kunde von deinem beimatsorte mit seiner nächsten Umgebung
und von deinem engeren vaterlande erlangt hast, so legst du dadurch den besten
Grund zum Verständnis der entlegensten Räume der Erde, und deine ibeimat
wird dir zum Spiegelbild des Srdganzen.
Unsere Heimat, so klein fie ist, ist mehr als manches andere deutsche Ge¬
biet dazu geeignet, die Erde im Kleinen darzustellen: jede ihrer Landschaften
hat ihr eigentümliches Gepräge; die Formen und Arten des Rodens find
mannigfaltig; fließende und stehende Gewässer find in reicher Anzahl und
verschiedener Größe vorhanden; selbst die klimatischen Verhältnisse bieten ziem¬
lich schroffe Gegensätze, so daß z. R. der im milden Klima der Niederungen
Erwachsene fich unter dem „schwarzburgischen Sibirien"*) das echte
Sibirien vorstellt, oder umgekehrt, daß dem auf den rauhen, unwirtlichen
höhen beimischen die milden Thalfluren zu Bildern für reizende Landschaften
des Südens werden.
Möchte es mir gelungen sein, durch diese Landeskunde das geographische
wissen bei unserer lieben Schuljugend mehr zu begründen! Möchte fich auch
der Wunsch erfüllen, durch dieses Schriftchen Liebe zum Fürsten und zum
ganzen Fürstlichen tzause, Anhänglichkeit an die Heimat und Achtung gegen
dieselbe und Liebe zum großen vaterlande zu wecken und zu fördern! Dieses
Anschließen an die teure Heimat, dieses Festhalten derselben mit dem ganzen
Gerzen warm zu pflegen, ist besonders Pflicht der Volksschule. Sie wird diese
Achtung gebietende Liebe in den zugendlichen Berzen um so fröhlicher gedeihen
sehen, je mehr fie in dieselben den Samen der Erkenntnis von dem eben zu
liebenden Gegenstande ausstreut, eingedenk des schönen Wortes; „Die mensch¬
lichen Dinge muß man erkennen, um fie zu lieben." D. v.
Vorwort zur 2. Auflage.
^er mehrfach ausgesprochene Wunsch, daß in diesem werkchen bei einer
neuen Auflage jeder Grt Aufnahme finden möchte, hat den Verfasser bewogen,
besonders nach dieser Seite hin eine Erweiterung eintreten zu lasten. Möge
dieselbe zu allseitiger Befriedigung vollführt worden sein! Durch diese Stoff-
Häufung wird das Schriftchen in den Augen desjenigen, der der Heimatskunde
dem geographischen Gesamtunterrichte gegenüber ausschließlich einen propädeu-
tischen Eharakter beimißt, diese Signatur noch mehr verleugnen, als bisher.
Die Heimatskunde soll ja Vorschule für den geographischen Unterricht sein
und hat deshalb in den Schulplänen für das I. bis IV. Schuljahr wohlver¬
diente Aufnahme als besonderer Unterrichtsgegenstand gefunden. Sie hat aber
Ulcht allein die Verpflichtung, die geographischen Elementarbegriffe**) durch Wort
und Bild zur Anschauung zu bringen, fie soll auch mit dieser Ausrüstung die
## Zeichnet der Volksmund die höchstgelegenen Gegenden des Thiiringerwaldes.
• r, } Borausgesetzt, daß jeder Seminarabiturient mit diesen Begriffen vertraut
ist, sind ste hier nicht berücksichtigt worden.