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neuem in die Flut. Noch weilte das Auge mit Trauer auf der Stelle,
da hatte der Kleine unter dem Wasser schon einen zweiten Stamm gesunden,
an den er sich klammerte und abermals in die Höhe kam. Mit Hilfe
eines Seiles konnte er endlich gerettet werden.
Ein großes Glück bei allem Unglück war es, daß das Preßlersche Hans
im Komtnrhofe fest gebant war. Die Häuser zn beiden Seiten stürzten
zustimmen; doch 15 Personen retteten sich über die Dächer der Hänser
hinweg bis an jenes Haus, iu das sie durch die Fenster aufgenommen
wurden. — Unter dem Schutte der eingestürzten Häuser, zwischen dem
angeschwemmten Gebälk, in dem Gestrüpp am Ufer fand man nach dem
Verlaufen der Flut die gräßlich entstellten Leichname. Manche konnten
erst am anderen Tage, einige noch später aufgefunden werden. Und wären
auch keine Menschenleben verloren gegangen, so wäre der Verlust immer
noch sehr groß gewesen. Denn 17 Häuser wareu gänzlich weggerissen
worden, 15 so beschädigt, daß sie ganz oder teilweise abgetragen werden
mußten; aber auch noch an 44 anderen Häusern waren größere oder kleinere
Beschädigungen zu bemerken.
II.
„Hört ihr's wimmern hoch vom Turni?
Das ist Sturm!"
Es war in der Nacht vom 9. zum 10. September 1844, als gegen
3/2l Uhr die Feuerglocke und der Ruf: Feuer! Feuer! die Bewohner Plauens
aus dem Schlafe schreckte. Es brannte im Endegäßchen. Hier waren die
Hänser noch mit Schindeln gedeckt und die Hinterhäuser ganz ans Holz er-
baut. Längst hatte man gefürchtet, daß, wenn hier einmal Feuer ausbreche,
keine Rettung möglich sei. Und so war es auch. Nach Verlauf einer halben
Stunde war das Feuer zu einem Flammenmeere geworden. Flugfeuer:
brennender Hanf, Speck, Schiefer bedrohten fogar entferntere Punkte. Es
schien, als wäre die ganze Stadt verloren. In der That brannte der ganze
vom ehemaligen Kloster herrührende Stadtteil, die uutere Seite der Herren-
gasse, sowie des Marktes, der ganze obere und untere Steinweg, die Schnl-
gasse, der Lindenplatz, selbst die Häuser hinter dem Bürgerschulgebüude am
Ämtsberg. 107 Wohnhäuser mit 199 Seiten- und Hintergebäuden und
zwei Scheuuen standen fast gleichzeitig in Flammen. Es war ein herz-
zerreißender Anblick! Alle Menschenhilse schien machtlos. Nachdem die be-
stürzten Bewohner vergeblich alles aufgeboten hatten, dem wütenden Elemente
Einhalt zn thun, traf nach uud nach anch Hilfe von auswärts ein. Die
Nachbarn von Stadt und Land eilten herbei, zu helfen, wo und wie sie
konnten. Obwohl wahre Heldenthaten verrichtet wurden und die wackeren
Männer mit Lebensgefahr gegen die Wut der Flammen kämpften, gelang
es doch erst am nächsten Nachmittag, dem Flammenmeere Grenzen zu setzen.
Von 10623 Einwohnern waren 1674, also fast der 6. Teil, obdachlos
geworden. Auf 1 416 000 M. wurde der durch den ungeheuren Brand
verursachte Schaden abgeschätzt, und fast hoffnungslos schauteu viele der
armen Abgebraunten auf die Schntt- und Trümmerhaufen, in die ihre Habe
gesunken war.
Doch die Kunde von dem schweren Unglück erweckte auch viele Herzen
zn helfender, opferwilliger Bruderliebe. Von allen Seiten, sogar aus dem