Elsaß-Tothringen.
§ 1. Geschichte.
Das gewaltige Reich, welches Karl der Große seinem Sohne Ludwig dem
Frommen hinterlassen hatte, wurde durch den Vertrag von Verdun (843) in
drei Teile geschieden. Italien und das Land, welches sich von den Alpen und
dem Mittelmeere bis zur Nordsee erstreckte, im Osten begrenzt vom Rhein, im
Westen von Scheide, Maas, Saone und Rhone, erhielt Lothar. Als er starb, kam
an seinen Sohn Lothar II. der nördliche Teil dieses Gebietes und empfing von
seinem Herrscher den Namen Lotharingen oder Lothringen. Beim Aussterben
der Linie Lothars (869) entspann sich zwischen Karl dem Kahlen, König von
Frankreich, und Ludwig dem Deutschen der Kampf um Lothringen. Damit
wurde der Streit um die Rheiugreuze eröffnet, der sich mit längeren oder kür-
.zereu Unterbrechungen bis auf unsereTage fortgesetzt hat. Eine vorläufige Einigung
brachte der Teilungsvertrag von Mersen (870), wodurch Ludwig der Deutsche den
größeren Teil von Lothringen erhielt. Als unter Karl dem Dicken (876—887)
das ganze Reich Karls des Großen wieder hergestellt wurde, zählte Lothringen
zu der deutschen Reichshälste. Kaiser Heinrich I. von Deutschland bildete aus
Elsaß und Lothringen im engeren Sinne, welches letztere sich von der oberen
Maas und Mosel bis zur Scheldemündung und der Nordküste erstreckte, ein eigenes
Herzogtum. Unter seinem Nachfolger Otto I. wurde dieses Herzogtum eingeteilt
inNiederlothringen, welches den nördlichen Teil bildete, inOberlothringen,
b. i. das Land am Oberlaufe von Mofel und Maas und in Elsaß.
Niederlothringen löste sich bald in eine Anzahl weltlicher und geistlicher
Gebiete aus. In Oberlothringen bestand die herzogliche Würde bis in das
18. Jahrhundert. Elsaß wnrde dem Herzog von Schwaben oder Alemannien
übergeben und blieb ein gesondertes Gebiet. Die herzogliche Würde ging im Jahre
1268 durch deu Tod Kouradins, des letzten aus dem Geschlechte der Hohen-
staufen, welche Herzöge von Schwaben waren, unter. — Schon vorher hatten sich
in Elsaß-Lothringen Bistümer gebildet, die nicht den Herzögen untergeben waren,
■sondern unmittelbar unter dem Deutschen Reiche standen, so Metz, Tonl und
Verdun, Straßburg, Speier. Die Macht dieser Bistümer wuchs bald so,
daß die herzogliche Gewalt geschädigt wurde. Als nun im Elsaß die herzogliche
Linie erloschen war, wurden die Landgrafschaften SundgausSüdgau und Nord-
>gau) errichtet. Die landgräfliche Herrfchaft im Nordgau blieb unbedeutend und
verlor sich allmählich ganz, während der Sundgau unter den Grafen von Habs-
bürg zu großer Macht gelangte.
Unterdessen hatten sich auch Städte, die durch Handel und Gewerbe blühten
von der geistlichen wie weltlichen Gewalt befreit und sich zu freien Reichs-
städten emporgeschwungen. Es entstanden die großen Freistädte Straßburg,
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