fullscreen: Leitfaden für den Geschichts-Unterricht in Mittelschulen und den unteren Klassen höherer Lehranstalten

46 IV. Griechenlands Blüthe unb Verfall. 
Insel Delos stattfanden, forderte die Beiträge ein, verwaltete die 
Kasse und vertrat den Bund nach außen. Bald sollte sich der 
Einfluß Athens noch erhöhen. Als die von den Persern drohende 
Gefahr vorüber und die Sicherheit des Meeres wieder hergestellt 
war, zogen es die kleineren Gemeinwesen vor, sich für ihre 
Kriegsleistungen mit Geld abzufinden und es den Athenern zu 
überlassen, für die Ausrüstung und Bemannung der Flotte L-orge 
zu tragen. Auf diese Weise kam die Macht des Bundes ganz in 
die Hände der Athener, und bald war die attische Hauptstadt nicht 
mehr Vorort, sondern Beherrscherin eines weiten Gebietes, das 
die Küsten und Inseln von Cyperu bis an den Chersones und in 
das schwarze Meer hinein umfaßte. 
Der Mann, der am meisten dazu beitrug, Athen diese gebie- 
444 tertbe Stellung zu verschaffen, war Perikles, der Sohn des Lau- 
thippus, des Siegers von Mykale. Ausgerüstet mit allen Vor¬ 
zügen , welche Geburt und Reichthum, männliche Schönheit und 
würdevolle Gestalt, ausgezeichnete Geistesanlagen und umfassende 
Bildung verleihen, war Perikles vor Allen geschaffen, den atheni¬ 
schen Staat in jener großen Zeit zn leiten. Ohne sich besonders 
hervorzudringen, lenkte er die leichtbewegliche Volksversammlung 
durch die Kraft und Milde seines Geistes und durch seine gewal¬ 
tige Beredsamkeit. Wenn er als bekränzter Redner von der 
Bühne zum versammelten Volke sprach, glich er an Würde und 
Majestät dem olympischen Zens, der Blitz und Donner in seiner 
Gewalt hat. Und das Volk, das die Fähigkeit und den Willen 
in ihm erkannte, die Nation zu Macht, Ehre und Glück zu er¬ 
heben, folgte willig seiner Führung. 
Den größten Ruhm erwarb sich Perikles _ durch die Auffüh¬ 
rung herrlicher Bauwerke. Vor Allem ward die Burg vou Athen, 
die Akropolis, gänzlich umgeschaffen. Eine breite Marmortreppe 
führte von der Stadt zu ihr hinauf. Den Emgang zu der Burg 
bildeten die Propyläen, ein prachtvolles marmornes Säulenthor 
mit fünf hohen Durchgängen, an welches sich zu beiden Seiten 
große vorspringende Flügelgebäude anlehnten, von denen das eine 
einen Tempel der Siegesgöttin umschloß, daS_ andere eine Gemälde- 
sammluug enthielt. Treppe und Hallen kosteten zusammen 2012 
Talente, also etwa 9 Millionen Mark, und wurden in der kurzen 
Zeit von fünf Jahren vollendet. (Nach dem Muster der Propy¬ 
läen ist das „Brandenburger Thor" in Berlin erbaut.) Im In¬ 
neren des Burghofes stand das Parthenon, der Tempel der Göttin 
Athene, ein Viereck von 70 Meter Länge, 30 Meter Breite und 
20 Meter Höhe. Rings um dasselbe liefen offene Säulenhallen; 
Giebelfelder und Friese waren mit den schönsten Bildwerken be¬ 
deckt. Im Tempel befand sich das 12 Meter hohe Standbild der 
Göttin, mit dem Ausdrucke siegreicher Majestät im Antlitz, das 
Gewand bis zu den Fußsohlen herabwallend, gerüstet mit Helm
	        
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