Full text: Vaterländische Erdkunde (1)

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(3. Klima.) Mitbedingt ist die hohe Fruchtbarkeit durch das aus- 
gezeichnete Klima. (Temperaturkarte S. 37): Die Oberrheinische Tief¬ 
ebene hat unter den deutschen Landschaften das mildeste Klima. Die 
Mitteltemperatur liegt um 2" höher als diejenige der Süddeutschen Hochebene 
(10 gegen 8). Begründet ist das in der Nähe des Oceans und in der vor 
rauhen Winden geschützten, niedrigen Lage. Nirgends in Deutschland kehrt 
der Frühling mit seinem Grün und seinem Vogelsang so früh ein 
als hier. Schon in der ersten Hälfte des April blühen die Kirsch- und 
Pflaumenbäume, und bereits Anfang Juni hat man reife Kirschen. 
Zusammenstellung der charakteristischen Merkmale: 1. Grabenversenkung. 
2. Fruchtbarer Lößboden, ausgezeichnetes Klima, am Gebirgsrand 
hohe landschaftliche Schönheit. 3. Zahlreiche Städte. 
Städtebilder aus der Oberrheinischen Tiefebene. 
(Straßburg, Speyer, Worms, Heidelberg, Mainz und Frankfurt a. M.) 
a) Straßburg. 
(1. Geschichtliches.) Am 27. September 1870 kapitulierte das von 
Werder seit dem 13. August belagerte Straßburg. Ein Freudenschrei durchscholl 
die deutschen Lande. „Straßburg ist wieder unser", so tönte es jubelnd von 
Mund zu Mund. Es war wie das Aufjauchzen einer Mutter, der ein ge- 
ranbtes Kind in die Arme zurückgelegt wird. Und Straßburg war ein geraubtes 
Kind, ein Kind des deutschen Vaterlandes. 1681, in jener Zeit, als das durch 
den 30 jährigen Krieg verwüstete, politisch zerrissene deutsche Reich sich jegliche 
Schmach frevelnder Nachbarn gefallen lassen mußte, raubte Ludwig XIV. mitten 
im Frieden Straßburg, die doch so starke, so kerndeutsche Stadt. Seitdem ver- 
hüllte der Deutsche in Trauer sein Haupt, wenn er den Namen Straßburg 
nennen hörte. In dieses eine Wort schien all unsere Schmach zusammengedrängt. 
Und volle zwei Jahrhunderte Verslossen! O, es dauert etwas lange, bis der 
Deutsche sich auf das besinnt, was er der nationalen Ehre schuldig ist! (S.Abschnitt 
„Der deutsche Volkscharakter" am Schluß des Buches.) Doch endlich kam die 
Stunde, wo mit wuchtigen Schlägen die Frevel eines Ludwig und eines Napoleon 
gleichzeitig gesühnt wurden, wo denn endlich auch das stolze westliche Bollwerk 
Deutschlands, die Festung Straßburg, zurückgewonnen wurde.*) 
(2. Aage.) Strafsburg liegt da, wo von altersher zwei grofse Völker- 
strafsen sich kreuzten. Die eine war durch die Oberrheinische Tiefebene 
gegeben. Sie führt nordwärts über Frankfurt a. M. nach Mittel- und 
Norddeutschland, südwärts durch die Burgundische Pforte ins Rhonethal 
und zum Mittelländischen Meer. Die andere, westöstliche, war die alte 
Römerstrafse, die von Gallien nach den Kastellen an der Donau führte. 
*) „Straßburg ist unser!" O dieses Wort, 
Mir in den Ohren klingt's fort, immer fort. 
Ist's möglich, daß so lang 
Fern du uns bliebst? 
Ohn' dich wie entehrt 
War unser Gang! (Meißner.)
	        
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