Full text: Hilfsbuch für den Unterricht in der Erdkunde

246 
Europa. 
südlich des Dammes ziehen die flachen Gewässer der Lagunen, zur Ebbezeit 
ein von breiten Meeresarmen durchzogenes Gewimmel von Sand- und 
Schlammbänken. In Venedig erhält das Land Uber das Wasser das Über- 
gewicht. Die Stadt Uberdeckt 3 große und 14 kleinere Inseln, die durch 
134 Kanäle in einzelne Quartiere zerschnitten sind, welche durch 378 Brücken 
in Verbindung stehen. Häufig erheben sich die Häuser unmittelbar aus dem 
Wasser; sie sind auf starken Psahlroften ausgeführt, welche iu den Unter- 
grnnd der Lagunen eingerammt sind. Der größte dieser Kanäle, der etwa 
6 Kilometer lange, 40 bis 70 Meter breite Canale grande, durch- 
zieht in Form eines 3 die Stadt. Er ist die Hauptader des Verkehrs. 
Unter den zahlreichen Brücken, die ihn Uberspannen, ist der Ponto di 
Rialto ein vielbewundertes Meisterwerk, ein einziger schlanker Marmor- 
bogen von 30 Meter Spannung und 16 Meter Höhe, aus seinem NUckeu 
leider mit zahlreichen dem Kleinverkehr dienenden Buden entstellt. Dieses 
Kanalgewirr vertritt das Straßennetz der Stadt. Schlankgebaute schwarze 
Gondeln sind die einzigen Gefährte der Lagunenstadt, in der, außer einigen 
Meisterwerken der Erzbildnerei, kein Roß aufzutreiben wäre. — 2) Das 
Straßenleben konzentriert sich daher auf den Plätzen, deren man etwa 40 
zahlt. Der berühmteste darunter ist der iu seiner Art einzige Markus- 
platz, nördlich vom Canale grande. Die eine Seite desselben bildet der 
von Säulenhallen umgebene Dogen Palast, ein großartiges Bauwerk, 
mit roten und weißen Marmorquadern netzsörinig überkleidet, mit seinen 
Sälen voll Pracht und voll Geschichte. Man durchwandert den Saal der 
Pregadi, wo den Kriegen der Republik Anfang und Ende bestimmt war; 
den der furchtbaren Dieci, aus welchem Taufende über die SeufzerbrUcke 
zu den gräßlichen Bleikammern hinauf oder iu die unterseeischen Gräber 
voll Wasfer und Wasserratten hinabgingen; das Versammlungszimmer der 
noch furchtbareren Drei, die uugekannt und ungestraft über Leben und 
Eigentum aller Bürger, und selbst des Dogen, im Verborgenen richteten; 
den Saal des großen Rates; den Thronsaal, dessen Fußboden aus Halb- 
edelsteiueu und Marmor besteht. An den Dogenpalast schließt sich in gerader 
Linie die im 10. Jahrh. erbaute St. Markuskirche, ein wundersames 
Gemisch von Christenkirche und Arabermoschee. Füns Kuppeln decken sie, 
fünf Eingänge mit bronzenen Thüren führen in das Innere. Uber dem 
Haupteingange prangt ein Bildwerk aus der Zeit Alexanders d. G., vier 
von einem griechischen Künstler gefertigte vergoldete Erzrosse. Im Innern 
glänzt Goldpracht von der unabsehbaren Fülle der Säulen, und geschliffene 
Halbedelsteine blitzen aus der kostbaren Mosaik der Wände und des Fuß- 
bodeus. Der Markuskirche gegenüber steigt die schlanke Säule des Glockeu- 
turmes (Campanile) an 150 Meter hoch, dessen vergoldetes Kupferdach 
der Sage nach sonst hinüber bis nach Jstrien glänzte. Gerade vor der 
Markuskirche erheben sich imposant auf bronzenen Basen drei mächtige 
Standarten, die stolzen Zeichen der Unterwerfung dreier Königreiche (Cypern, 
Kandia und Morea) durch die Republik. Die drei übrigen Seiten des 
Markusplatzes werden, wie von einem einzigen fäulengetragenen Marmor- 
türme, des Schiffes würdigem Hauptmast, aus gesehen, erscheinen die anderen ent- 
sernteren Inseln nur als Boote oder Schaluppen, die zum Dienste des großen Fahrzeuges 
bestimmt sind."
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.