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Das Unterrichtsmaterial.
vielseitige Schulung des Verstandes ermöglicht. — Endlich wird auch
die Einbildungskraft vielfach beschäftigt werden können, ja um der
harmonischen Geistesbildung willen beschäftigt werden müssen. Sie wird
schon rege gemacht, wenn der Schüler über den Horizont der Heimat hinaus
das Gewässer, das am Heimatsorte vorüberfließt, im Geiste verfolgt, oder
wenn eine ferne Hügelkette den Blick fesselt; sie wird befruchtet durch die
anschauliche Schilderung von Szenen aus dem Natur- und Völkerleben;
und sie vermag ganz besonders konkrete Anknüpfungspunkte zu gewinnen in
den neuerdings der Schule zugänglich gemachten geographischen Änschauungs-
bildern. Da mag es durch das sinnige Verweilen beim Schildern z. B. der
zwischen die beiden Lütschinenthäler eingekeilten Juugsraugruppe der Berner
Alpen dem tüchtigen Lehrer sogar gelingen, die Einbildungskraft zum äst he-
tischen Gefühl zu erheben und zu läutern. — Demnach muß der Wert
der Erdkunde für eine allseitige intellektuelle Bildung als ein
sehr hoher bezeichnet werden.
d. Ein diesem Ideale entsprechender Unterricht stellt aber an den Schüler
nicht geringe Anforderungen. Das straffe Verfolgen des vom Lehrer ent-
wickelten Gedankenganges und die Aufnahme klar erkannter Unterrichtsergeb-
nisse in festgestellter Form ist nur durch einen ernsten Willen zu ermöglichen;
die häufige Übung desselben aber erzieht den Schüler zur Willensenergie.
Die Anwendung des durch die Eigenart des geographischen Lehrstoffes er-
möglichten heuristischen Lehrverfahrens fördert die Selbsttätigkeit und
wird so ein Erziehungsmittel zur Selbständigkeit. Und indem endlich
die Erdkunde Gelegenheit bietet, das Gesetzmäßige im Wechsel der Erschei-
nungen erkennen zu lernen, leitet sie von selbst auf den Gesetzgeber und kann
somit, unbeschadet ihrer sonstigen Zwecke, auch das religiöse Gesühl in
förderlicher Weise kräftigen. Das zusammengenommen bedingt ihren Wert
für die sittliche Bildung des Menschen.
Demnach würde die Aufgabe des Unterrichts in der Erdkunde dahin
festzusetzen sein: daß durch denselben die Schüler in die Lehre
von der Beschaffenheit der Erde und den dadurch bedingten
Zuständen ihrer Bewohner in intellektuell- und sittlich-
bildender Weise eingeführt werden.
II. Z>as Material.
1. Umfang.
Der Umfang des im erdkundlichen Unterricht zn behandelnden Lehrstoffes
ist zunächst nach der qualitativen Seite hin festzustellen. In dieser Hinsicht
ist er umschrieben durch die beiden Hauptmomente des Unterrichtszweckes,
durch das der Erkenntnis uud das der Teilnahme.
Die Erkenntnis der geographischen Erscheinungen wird gewonnen durch
die Betrachtung der Erde im ganzen und nach ihren wesentlichsten Teilen.
1. Um die Erde als Ganzes kennen zu lernen, muß man die Gestalt
und Größe derselben, sowie die Bewegungen und die Bahn der Erde im
Räume des Sonnensystems betrachten. Es sind diese Erkenntnisse der spezielle
an großen Nebenflüssen den Schluß auf die wüstenartige Beschaffenheit des betreffenden
Gebiets, und bei dem Nil von gleicher Ursache auf gleiche Wirkung bezüglich der An-
länder des Nilthales u. a.