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mansperger von links, einen begehrlichen Blick hinauf zur Fichte und
hernach eine finster grollende Miene hinüber zum Nachbarn. Das
Gesinde merkte es und blinzelte mit händellüsternen Gesichtern. Zu¬
gleich eilte es aber unter dem kalten, scharfen Blicke der Bauern, weil
von Nordwesten her über das wellige Gebirge ein rabenschwarzes
Wettergewölk heranbrauste.
Die Weizenmandeln, wie mit Zauberschnelligkeit aufgerichtet,
standen. „So, jetzt heim!" befahl hüben der Grmansperger und der
Dohlenhamer drüben. Aber während man sich anschickte das Feld
zu verlassen und das schützende Dach zu gewinnen, lief schon mit un¬
heimlicher Eile eine schwefelgelbe Wolke über den Häuptern hin.
Gin jäher Blitzstrahl, ein Donnerkrach, als hätten Riesenfäuste tausend
flanken mit einem Male entzweigebrochen, und — von der verwünschten
Grenzfichte lag die rechte Hälfte im Felde des Dohlenhamer und die
linke im Grunde des Grmansperger. Vom Gipfel zur Wurzel war
sie unparteiisch gespalten und geteilt.
Die beiden Großbauern standen starr vor Schrecken nnd bekreuz¬
ten sich, hernach traten sie zur Grenzfichte heran und blickten erstaunt
in das Werk des feurigen Schiedsrichters. „Da liegt jetzt, was jedem
gehört!" sagte der Dohlenhamer ernst und streckte seinem Nachbarn
die Hand hin.
„Das war der drohende Finger Gottes; unser Streit ist entschieden!"
sprach der Grmansperger sichtlich bewegt und ergriff die dargebotene
Rechte.
„Da hat der Blitz den Richter gemacht!" erzählten sich die Leute
mit ernsten Gesichtern und heute noch lebt das seltsame Gewitter fort
in dem Gedächtnisse und Munde des Volkes, das Grmansperg und
Dohlenham umwohnt. schlich»
159. Ton der Heiligkeit des Eides und dem Verbrechen
des Meineides.
Es kann kaum ein feierlicheres Bekenntnis des christlichen Glaubens
und eine feierlichere Verehrung Gottes gedacht werden als ein Eidschwur.
Der Schwörende stellt sich in die Gegenwart der allerheiligsten Drei¬
faltigkeit, erhebt zu ihr seine Hand, ersucht den heiligen Gott mit
seiner Wahrheit und Treue für die eigene Aufrichtigkeit zu bürgen,
verpfändet Seele und Seligkeit dafür und unterwirft der strafen¬
den Allmacht des gerechten Richters jede, auch die kleinste Unwahr¬
heit seines Zeugnisses. Der Eid wurzelt demnach in dem Glauben an
den wahren Gott und seine heilige Offenbarung, in der Hoffnung auf die