Object: Lesebuch für Sexta (Teil 1, [Schülerband])

Tages zu mühsam, und so überlegte er denn, wie er wohl sein 
Buch auf die leichteste Weise wieder bekommen könnte. Er 
stand am Ende des Schlolsgartens und sah in einiger Ent¬ 
fernung einen Knaben, der am Wege zwischen den Feldern eine 
Herde Gänse hütete. „Der kann dir das Buch holen!“ dachte 5 
der König, öffnete die Gartentür und ging zu dem Knaben, der 
ihn mit neugierigen Augen betrachtete. 
„Höre, Jockel,“ sagte der König, „du könntest dir ein hüb¬ 
sches Trinkgeld verdienen, wenn du einmal nach der Bank dort¬ 
hin laufen und mir das Buch holen wolltest, das ich da habe 10 
liegen lassen.“ Der Junge, der den König nicht kannte, ant¬ 
wortete keck und schnell: „Jockel heiss’ ich nicht, aber Seppel. 
Du willst mich wohl zum Narren halten, aber so dumm bin ich 
nicht.“ „Warum denkst du denn, dass ich dich zum Narren 
halten will?“ fragte der König, dem der hübsche, frische Bursche is 
gefiel und der recht gut merkte, dass dieser ihn nicht kannte. 
„Weil du für so einen lumpigen Gang ein Trinkgeld geben willst,“ 
erwiderte der Junge; „so leicht wird das Geld nicht verdient.“ 
„Da bist du doch sehr dumm,“ rief lachend der König; „warum 
glaubst du mir denn nicht?“ „Ach, die Leute da in dem Schloss,“ 20 
sagte der Junge, „halten unsereinen gern zum Narren, und du 
bist doch gewiss einer davon?“ „Und wenn ich es wäre,“ sagte 
Max Joseph, dem das ganze Gespräch immer mehr Vergnügen 
machte, „was wäre weiter dabei? Hier hast du im voraus diese 
zwei Zwanziger, und nun geh sogleich und hole mir das Buch!“ 25 
Die Augen des Knaben glänzten förmlich, als er das Geld 
erblickte. Er verdiente während des ganzen Sommers durch das 
Hüten der Gänse nicht viel mehr, als er jetzt in einer Viertel¬ 
stunde gewinnen konnte, und dennoch zeigte er keine Lust, sich 
auf den Weg zu machen. „Nun,“ fragte der König, „warum willst so 
du denn nicht? Ist dir das Geld noch nicht genug?“ Der Junge 
rückte seinen Hut auf die Seite und kratzte sich hinter den Ohren; 
dann sprach er: „Ja, ich wollte schon recht gern, aber ich darf 
nur nicht. Wenn die Bauern hören, dass ich die Gänse hier im 
Stich gelassen habe, so jagen sie mich fort, und ich habe dann 35 
kein Brot mehr.“ „Närrischer Junge!“ rief der König lachend, 
„ich will sie so lange hüten, bis du zurückkommst. Du kannst 
ja auch schnell laufen, dals du recht bald wieder hier bist.“ „Du 
willst die Gänse hüten?“ fragte der Junge langsam und mit 
spöttischer Miene; „du wärst mir ein schöner Gänsehirte, dazu 40
	        
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