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erzählen von Erlebnissen und Gefechten, von der Eigenart Südafrikas. Ein
mannhaftes Christenwort und ein deutscher Choral machen den Schluß. Hält
der Feldgeistliche solche Biwaksabende allein, so wählt und ordnet er Lieder,
Erzählungen und Ansprachen so, wie sie ihm am besten für die Herzen und
Gewissen zu passen scheinen.
Der Oberst kam meinen Vorschlägen und Bitten bereitwilligst entgegen,
und von Anfang an war es eine Freude, wie die Truppen bei der Sache waren.
In solchen Ruhezeiten ließen sich auch am passendsten Schriften ver-
teilen, soweit der Amtskoffer für sie Raum geboten hatte oder die Feldpost
sie nachführte. Sonntagsblätter, gedruckte Predigten, die bekannten „Soldaten-
Ansprachen" sind weithin ins afrikanische Sandfeld gedrungen. Eine freudige
Überraschung war's, als die Feldpost mir in dieser Zeit einige Pakete mit
Büchern Sam. Kellers (Ernst Schrill) überbrachte. Für die Spende eines
Arztes waren sie beschafft, und der Verleger hatte einen ganz geringen
Preis berechnet, um recht viele liefern zu können. Solche männliche, gehalt-
volle Soldatenlektüre konnten wir gebrauchen. Sie wanderte von Hand zu
Hand; für ein gutes handliches Buch fand sich selbst bei diesen afrikanischen
Märschen noch Platz. Im weiteren Verlaufe des Feldzuges haben mir Freunde,
Bekannte und Unbekannte gar manches vortreffliche Buch für die Truppen
zugesandt. Hätten sie nur Zeugen der dankbaren Freunde sein könne, die
ihre hier zehnfach wertvollen Liebesgaben weckten! Es waren Festtage, als
ich z. B. Schriften von Felix Dahn oder Wilhelm Rabe verteilen durfte,
die mir beide für unsere Krieger geschickt waren.
Ernster und trauriger war meine Ausgabe im Gefechte. Unvergeßlich
bleibt mir ein ergreifendes Erlebnis ans dem furchtbaren Kampfe im Anb-Tale.
Der Major mit dem Schuß in den Unterleib liegt hier und leidet
entsetzliche Qualen auch vor Durst. Er ruft mich und sagt: „Bringen Sie
meiner Mutter die letzten Grüße und sagen Sie ihr, daß ich im Glauben an
meinen Erlöser sterbe!" Die Mutter werde ich nun besuchen und ihr münd-
lich die letzten Grüße bringen. Als ihm die Schmerzen unerträglich wurden,
gab man ihm Morphium, das ihn wieder zur Klarheit brachte. „Tausend
Mark für einen Schluck Wasser!" schrie er. Nach einer Weile schrie er noch
einmal auf: „Zehntausend Mark für einen einzigen Schluck Waffer!" Auf
den letzten Ruf des Majors kommt ein schwer verwundeter Sergeant heran-
gekrochen, der noch ein bißchen Rotwein in der Flasche hatte. Er schleppt
das seinem Major heran und bittet ihn, zu trinken. Der Major sieht den
Soldaten an; man merkt, wie er mit sich ringt, wie er aber dann entschlossen
den Trunk zurückweist. „Sie müssen zurück zum Geschütz" sagt der Major,
„trinken Sie darum selbst; mit mir ist es ja doch vorbei!" Der Major
wollte lieber verdursten, als einem noch etwas Kampffähigen die notwendige
Labung entziehen.
Ein anderer Soldat wimmerte, er war fast zur Unkenntlichkeit zer-
schössen und lag auf der Brust. „Kann ich Ihnen noch einen Liebesdienst
tun?" fragte ich. „Sorgen Sie dafür", war die Antwort, „daß dieser letzte
Gruß an meine Eltern nach Leipzig kommt!" Es war ein Notizbuch, in dem
geschrieben stand: „Herzlichen Gruß von Eurem sterbenden Sohne! Ich habe
hier draußen im Kriege bei den Gottesdiensten meinen Gott und Erlöser
wiedergefunden. Euer Sohn." Er ist nicht der einzige gewesen; es haben
viele draußen ihren Herrn wiedergefunden.