Full text: Heimatskunde der Provinz Westfalen

— 128 — 
der Braunschweiger und zog den Waffenrock eines gefallenen 
Soldaten an, griff dann einige der auf dem Felde herumirrmdeni 
Pferde auf und verfolgte so die Spur der Wächter seines Herrn und 
befreite denselben unter dem Vorwande, ihn nach Celle bringen 
zu müssen. 
Trefflich war ihm seine List gelungen. In dem Dorfe Dankersen 
unweit Minden lebte Jürges Vater als ein schlichter Bauer mit 
seinem zweiten Sohne Hans. Seine Frau war ihm vor wenigen 
Jahren gestorben, und so hatte er eine Waise, namens Margaretha, 
zu sich genommen, die ihm durch ihren Fleiß und ihr fröhliches 
Wesen bald fo lieb wurde, als wäre sie seine eigene Tochter. Munter 
verrichtete sie des Tags über die schwersten Arbeiten und des Abends 
saß sie fleißig vor dem Spinnrad und sang dazu die traulichsten 
Weisen. Wohl war Hans von ihrem lieblichen Wesen entzückt und 
hätte sie gern zu seiner Haussrau erwählt, aber er wagte es nicht, 
diesem trefflichen Mädchen seine Liebe zu gestehen. Ter Vater hatte 
die erwachende Liebe seines Sohnes längst erkannt und sich vor- 
genommen, die Sache der Liebenden ins Reine zu bringen. Doch 
eine heimtückische Krankheit warf ihn aufs Lager und nach wenigen 
Monaten betteten ihn Sohn und Pflegetochter zur ewigen Ruhe. — 
Unl diese Zeit war es, als Jürge, von dem Bischof reich mit Land 
beschenkt, in sein Heimatsdorf Dankersen zurückkehrte. Durch Krieg 
und Schlachten war er ein rauher Mann geworden und trieb sich am 
liebsten in den Wäldern umher. 
Wohl hatte er Kunde von dem Tode des Vaters erhalten, aber 
den Bruder noch nicht besucht, den er haßte, da dieser stets der 
Lieblingssohn der Eltern gewesen. Einst, müde von den Anstren- 
gungen der Jagd heimkehrend, vernahm er aus dem elterlichen Haus 
eine volle, süße Stimme. Neugierig, wer die schöne Sängerin sei, 
schlich er näher und erblickte Margaretha; sie stand am Herde und 
bereitete Speise für seinen Bruder. Überwältigt von ihrer Anmut 
und Schönheit trat er näher, stürzte ihr zu Füßen und flehte um 
ihre Liebe. Aber zürnend wies sie ihn ob dieser Zudringlichkeit von 
sich. Stumm gehorchte er, indem er hoffte, später sich ihre Liebe 
zu erringen. Von nun an mied er die wüsten Zechgelage seiner
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.