Full text: Bilder-Atlas zur Geographie von Europa

5^ XV, ? i e europäischen polar lande r 
nicht weniger als \20 Gefäßpflanzen auf. 2lm zahlreichsten sind die Gräser, die stellenweise 
über eine Elle hoch werden sollen. Der verhältnismäßig reiche Manzenwuchs ermöglicht das 
Dasein höherer Landtiere, vor allem des Renntieres (S. J[8^). Eisbär und Eisfuchs sind voll' 
ständig heimisch. Vögel gibt es in zahlreichen Korten und in ungeheurer Menge, von Insekten 
lind 6^ Arten bekannt, meistens fliegen und Mücken. Unvergleichlich reicher aber ist die Tier- 
welt des Meeres. Walfische, Walrosse und Robben sind der L?auptgegenstand der Jagd, werden 
aber mehr und mehr nach Norden zurückgedrängt. Spitzbergen ist unbewohnt und wohl über- 
Haupt für menschliche Wohnungen ungeeignet. 
Von ähnlichem Tharakter wie Spitzbergen scheint das nordöstlich davon gelegene Franz 
Joseph-Land zu sein, nur weit rauher und unwirtlicher. Der Tasellandcharakter waltet 
überall vor, das Innere erfüllt fast ebenes Inlandeis. Wichtiger infolge seiner Lage an der 
nordöstlichen Durchfahrt ist die Doppelinsel Nowaja Semlja, die Fortsetzung des Ural- 
gebirges. Der südlichste Teil ist niedrig und frei von Gletschern. In der Mitte erhebt sich das 
Land zu ailsehnlichen Oöhen, besonders zu beiden Seiten der Fjordstraße vom Matotschkin 
Scharr, wo die Gipfel bis zu J500 m aufragen (S. ^ 83). Den nördlichsten Teil bedeckt das 
Inlandeis vollständig. Die Pflanzenwelt Nowaja Semljas ist infolge der größeren Ausdehnung 
der Inseln und der Nähe des Festlandes etwas reicher als die Spitzbergens, auch die Landfauna 
ist mannigfaltiger; Fuchs und Wolf streichen vom Festlande hinüber. Bis vor kurzem war die 
Inselgruppe auch ohne ständige menschliche Bewohner. Im Jahre \877 hat nun die russische 
Regierung einige Samojedenfamilien angesiedelt, die besonders Schiffbrüchigen beistehen sollen. 
Die Kolonie nuiß aber vom Festlande aus mit Nahrungsmitteln versehe?? werde??. 
Als Tharaktertiere der ^olarregion seien ??ebe?? den schon genannte?? erwähnt das Elen 
(£>. \8^) in den nördlicheren Fjelds von Skandinavie??, der Lemming, ebenfalls auf de?? Fjelds in 
zahlloser Menge, endlich das F)eer der Schwimmvögel, der <Lidere??ten, Möwen, Seeschwalben, 
Kormorane, Säger 2C., die in unglaublichen Massen die einsamen Holme und Vogelberge (S. \8J) 
des hohen Nordens belebe??. 
Wie verschiede?? nun auch der Norden Europas vo?n Süde??, der (Dstei? vom Westen ist, 
eine gewisse Einheitlichkeit im Charakter der Natur und insbesondere der Kultur des Erdteils 
ist unverkennbar. Europa bildet ei??e große geographische Ei??heit. Mit Ausnahme 
eines ??icht umfangreichen Gebietes in? Norde?? gehört es ga??z der gemäßigten Zoi?e an, ja dank 
de?n tiefen Eindri??ge?? des Meeres und der mildernden Ei??wirku??g des Golfstromes erfahren 
selbst die kli?natische?? Verschiedenheiten i????erhalb dieser Zo??e noch eine starke Abweichung. Er¬ 
trägliche Sommer folgen auf milde Wii?ter, Getreide wird selbst noch im hohe?? Norden gebaut, 
und die günstige Verteilu??g der Niederschläge läßt i?? kei??em Teile die Form der Wüste auf- 
kommen. Nirgends ist der Entfaltung menschlicher Thatkraft eine unüberwindliche Schra??ke 
gesetzt, und ??irgends wird sie erschöpft durch de?? Kampf mit ei??er unwirtlichen Nat??r um 
die kümmerliche Notdurft des Lebens. 
Der Boden ist in? allgemei??ei? nur von mäßiger Ergiebigkeit. Er hat weder die über- 
reiche Fruchtbarkeit, noch die ?na????igfaltigei? Erzeugi?isse tropischer Länder, und ??irgei?ds ver 
schenkt die Natur ihre Gaben, sie müssen ihr ii? wohldurchdachter, geordneter und ausdauernder 
Thätigkeit abgerungen werde??. Aber eben dadurch werde?? die Völker zur Arbeit u??d mit ihr 
zur E??twickelu??g u??d Vervollkommnung ihrer körperlichen ui?d geistigen Kräfte erzöge??. Nicht 
ii? der Fülle der Naturgaben, sondern in ihrer a??rege??de?? Kraft zur Bethätigu??g der mensch¬ 
lichen Fähigkeiten liegen die Bedingungen zur E??tfaltu??g der höchsten menschlichen Kultur. 
Eine wesentliche Förderung erfährt die letztere durch die se??krechte Gliederui?g unseres 
Erdteils. Gebirge stören nicht bloß den Verkehr, sie erschwere?? auch die Bewirtschaftu??g des 
Bode??s u??d drücke?? dadurch die Dichte der Bevölkerung herab. Es ist daher voi? hoher Be- 
dei?tu??g, daß Europa von allen Erdteile?? die geri??gste mittlere Höhe hat. Die räumliche An- 
Näherung des Menschen ai? den Me??sche?? ist aber eine unerläßliche Vorbedii?gui?g alles kultu¬ 
rellen Fortschreitens. Mit der Lageru??g der Gebirge und der Verbreitui?g des Tieflaildes in 
Europa hängt die glückliche Verteilung und die günstige Beschaffenheit seiner Flußadern zu- 
sammen, welche ??irge??ds mit mehr Recht zugleich die Kulturadern des Kontine??ts genannt 
werden dürfe??.
	        
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