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aber die Unterthanen drückten und schatzten sie aller Enden. Es trug
sich nun einmal zu, dass der Landgraf jagen ging auf dem Walde und traf
ein Wild an; dem folgte er nach so lange, dass er sich verirrte, und ward
benächtiget. Da gewahrte er eines Peuers dureh die Bäume, richtete sich
danach und kam in die Rubla, zu einem Hammer oder Waldsehmiede. Der
Furst war mit schlechten Kleidern angethan, hatte sein Jagdhorn umbängen.
Der Schmied frug, wer er wäre? „Des Landgrafen Jäger.“ Da sprach der
Schmied: „Pfui des Landgrafen! wer ihn nennt, sollte allemal das Maul
wischen, des schwachherzigen Herrn!“ Ludwig sehwieg, und der Schmied
sagte zuletzt: „Herbergen will ich dieh heut; in dem Schuppen da findest 10
du Heu, magst dich mit deinem Pferde behelfen; aber um deines Herrn
willen vill ich dich nicht beherbergen.“ Der Landgraf ging beiseit, konnte
nicht schlafen. Die ganze Nacht arbeitete der Schmied, und wenn er so
mit dem grossen Hammer das Eisen zusammen sehlug, sprach er bei jedem
sSchlag: „Landgraf, werde hart! Landgraf, werde hart vie dies Eisen!*
und schalt ihn und sprach weiter: „Du böser, unseliger Herr, was taugst
du den armen Leuten zu leben? Siebst du nicht, wis deine Räte das Volk
plagen und mären dir im Munde?“ Und erzahlte also die lüebe lange Nacht,
das die Beamten für Untugenden mit den armen Unterthanen übeten.
Clagten dann die Unterthanen, so wäre niemand, der ihnen Hilfe thäte; 20
denn der Herr nähme es nicht an, die Ritterschaft spottete seiner hinter-
rũucks, nennten ihn Landgraf Metz und hielten ihn gar unwert. Unser
FPurst und seine Jager treiben die Wölfe ins Garn, und die Amtleute die
roten Fuchse (die Goldmünzen) in ihre Beutel. Mit solehen und andern
Worten redete der Schmied die ganze lange Nacht zu dem Sehmiede-
gesellen; und wenn die Hammerschläge kamen, schalt er den Herrn und
hiess a bart verden wvie das Eisen. Das trieb er bis zum Morgen; aber
der Landgraf falste alles zu Obren und Herzen und ward seit der Zeit
seharf und ernsthaft in seinem Gemüt, begann die Widerspenstigen zu
zwingen und zum Gehorsam zu bringen.
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53. Landgraf Ludwig der Eiserne baut eine Mauer.
Gage. — Bruder Grimm.)
Einmal führte der eiserne Landgraf den Kaiser Priedrich Rotbart,
seinen Schwager, nach Nauwburg aufs Schloss. Da ward der Raiser von
seiner Schwester freundlich empfangen und blieb eine Zeit lang bei ihnen. 835
Eines Morgens lustwandelte der Kaiser, besan die Gebàude und ibre Ein-
richtung und trat hinaus auf den Berg, der sieh vor dem Schlosse aus-
breiteto. „Eure Burg,“ sprach er, „behagt mir wohl; doch vermisse ich
Mauern hier vor der Kemnate, welehe doch aueh befestigt sein sollte.“
Der Landgraf erwiderte: „Um die Mauern sorge ich nicht; die kann ich 40
schnell schaffen, sobald ieh ihrer bedarf.“ Da fragte der Kaiser; „Wiso
bald kann denn eine gute Mauer hier gebaut werden?“ — „Dazu bedarf's
nicht einmal drei Tage,“ antwortete Ludwig. Der Raiser lachte und sprach:
„Das waäre ja ein Wunder und möchte kaum geschehen, wenn auch alle
Steinmetzen des deutschen Reiches hier beisammen waren.“ Es war aber
die Zeit, wo der Kaiser zu Tische ging; da entbot der Landgraf durch
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