Full text: Bilder aus dem Deutschen Reiche (Bd. 3)

506 
Bilder aus der norddeutschen Tiefebene. 
Johaunisflut setzten den Bruch regelmäßig unter Wasser; die Bewohner 
konnten dann nur auf Kähnen von einein Hause zum anderen gelangen, 
mußten oftmals_ ihren Gottesdienst auf dem Wasser abhalten uud sich 
in Kähnen um ihren Geistlichen versammeln. 
Die alten Brücher waren meist wendischer Abkunft und haben 
noch lange Zeit ihre Sitten und Eigentümlichkeiten in ihrer nrsprüug- 
licheu Reinheit bewahrt. Bis auf unsere Tage hat sich jedoch von 
allem, was wendisch war, allein die Tracht nur in einzelnen Dörfern 
erhalten. Die Entsnmpfuug des Bruches, ein Werk Friedrichs des 
Großen, das in den Jahren 1746 — 53 vollendet ward, und die Ein- 
Wanderung von Schwaben, Pfälzern u. a. hat das wendische Wesen 
zu Grabe getragen. Ein Kanal, der damals aus der Oder mehrere 
Meilen oberhalb Küstrin herausgeführt wurde, die sogenannte „Neue 
Oder", nahm nach uud uach die Hauptwassermasse des Flusses aus und 
läßt heute die „Alte Oder" nur noch bei hohem Wasserstande Schiffe 
tragen. Als der König Friedrich später auf einer Rundreise die trocken 
gelegten Fluren mit ihren 41 Dörfern und Vorwerken besuchte, die 
gleichsam auf sein Geheiß entstanden waren, hatte er wohl Grund 
freudig auszurufen: „Hier habe ich in Frieden eine Provinz erobert!" 
Aber erst heute könnte er die Früchte seines Werkes in ihrer vollen 
Pracht sehen. Zahlreiche Meiereien, Dorfschaften und einzelne Woh- 
nungen sülleu die von vielen künstlichen und natürlichen Wasserläufen 
durchschnittene, durch Dämme vor den Überschwemmungen des Stromes 
geschützte Niederung; herrliche Wiesengründe neben fettem Getreideboden, 
von markierten Thalrändern begrenzt, bedecken gleichsam die Sohle eines 
trocken gelegten Sees. Neben der Landwirtschaft und Viehzucht siud 
auch die kunstmäßigen Gewerbe mächtig emporgeblüht, und überall kann 
man zur Winterszeit die hohen Schornsteine der Spiritusbreunereien, 
der Stärke- und Zuckerfabriken rauchen sehen. 
Am Nordende des Bruchs treten die Höhenzüge des Landrückens 
wieder nahe an den Strom heran und geben der Stadt Küstrin ein 
malerisches Ansehen. Als senkrechte Wände, die wie Felsmassen aus- 
sehen, streben sie auf und überragen weit die Häuser, die sich oft in 
die Schluchten hineinziehen. In der Gabel der zusammenfließenden 
Oder und Warthe und zwischen schilfigen Sümpfen belegen, durch zwei 
Dämme mit ihrer Umgebung in Verbindung gesetzt, war die Stadt 
Küstrin von der Natur zu einer starken Festung bestimmt und galt 
als solche schon zur Zeit des dreißigjährigen Krieges. Ihre damalige 
Bedeutung trefflich charakterisierend, schreibt der Geograph Merian: 
„Wenn man von Mittag hierher reisen will, muß man über 37 Brücken, 
uud deshalb mag solcher Weg wohl eine Mausefalle genannt werden. 
Und da man über den Morast kommt, läuft zunächst an der Festung 
der starke Oderstrom vorüber. Wenn man dann zum anderen Thor 
wieder hinaus will, muß man zum mindesten auch über sieben Brücken 
reisen, obwohl der Morast am selbigen Ort am schmälsten ist." 
Unterhalb Schwedt, wo die Ränder des Stromthals wieder scharf 
hervortreten, verläßt die Oder die Mark, um in Pommern einzutreten,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.