Full text: [Bd. 1, Abth. 1] (Bd. 1, Abth. 1)

12. Vulkanismus und Neptunismus, 135 
ist es, die ursprüngliche, regelmäßige, von Berg und Thal nicht unterbrochene 
Gestalt der Erde wieder herzustellen. 
Der ganze Kreislauf des Wassers ist, abgesehen von seinen Beziehun- 
gen zur organischen Natur, gleichsam eine geologische Maschinerie, deren ein- 
schneidende Wirkung auf dem Streben beruht, von der Höhe nach der Tiefe 
zu gelangen. Als Regentropfen auf den Schauplatz seiner Thätigkeit gefallen, 
beginnt das Wasser sogleich, sich mit Ueberwindung aller Hindernisse einen 
Weg nach den tiefsten Punkten der Erdoberfläche, d. h. dem Meere, zu bahnen. 
Der Größe und Schwierigkeit der Aufgabe entspricht andrerseits die Viel- 
fältigkeit der Mittel, welche ihm zur Erfüllung derselben zu Gebote gestellt 
sind. Reicht seine mechanische Kraft zur Zertrümmerung und Fortführung 
der ihm entgegentretenden Gesteinmassen nicht aus, dann kommt ihm das 
Vermögen zu Hülfe, gewisse Bestandtheile der Gesteine chemisch aufzulösen 
und auszulaugen und dadurch den Fels in seinem innersten Gefüge zu lockern, 
— und sind beide vereint zu schwach zur Bewältigung der Hindernisse, so 
gesellt sich ihnen der Frost zu. Dann nimmt das Wasser seine feste Form 
an, und dehnt sich bei dieser Gestaltveränderung mit so unwiderstehlicher 
Gewalt aus, daß es, in Felsspalten eingeschlossen, die härtesten Massen 
sprengt und löst, bis sie endlich genügend klein sind, um von den Wellen 
fortgeschoben zu werden. Auf diese Weise werden den Gebirgsbächen Fels- 
partieen zur Beute, welche hoch über deren Bett erhaben, zwar einer unmittel- 
baren Einwirkung derselben entzogen sind, aber durch die pulverähnlich wir- 
kende Kraft des in ihre Spalten hinabgedrungenen und dort gefrierenden 
Wassers losgebrochen werden, in die Tiefe stürzen und hier der Zerstörung 
anheim fallen. 
Der Weg, welchen das Wasser einschlägt, um aus den Bergen in die 
Ebenen und von da zum Meere zu gelangen, ist ein doppelter. Ein Theil 
sucht sich unterirdische Bahnen, ein anderer folgt der Oberfläche des Bodens. 
Aus der Hebung eines Landstriches zu einem Gebirge ging nicht un- 
mittelbar das hervor, was heut als abwechslungreiches Ganzes vor uns 
liegt. Der Vulkanismus lieferte vielmehr nur eine rohe, ordnungslos von 
Spalten durchsetzte Gesteinmasse; — diese in ein gegliedertes Gebirgssystem 
umzugestalten, liegt dem Wasser ob. Es ist die eigentlich formende, modelli- 
rende Macht. Der erste Regenguß leitete die Arbeit ein, die gefallenen 
Tropfen streben nach der nächstgelegenen Bodensenkung, zarte Rillen hinter 
sich zurücklassend; zum Geriesel vereint, schneiden sie sich Risse in das Gestein, 
stürzen als Gebirgsbach die gesammelten Gewässer in vorhandene Spalten, 
sie mit der ganzen Kraft ihres Falles tiefer auswühlend, bis die Bäche zum 
Bergstrom, die Bergströme zu Flüssen schwellen und nun im thalartig erwei- 
terten Bett in die Niederung treten, und immer neue Gewässer aufnehmend
	        
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